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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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wirklich was ge­leistet haben.«
    Erika zuckte zusammen. »Keine Verwundungen?«
    »Keinerlei Narben, weder an den Armen noch an den Beinen, nirgends. Das wird dir eine Lehre sein, mein Mädchen. Du kennst die Menschen nicht so gut wie ich.« Er sah niedergeschlagen aus, als er sich wieder zur Tür wandte. Dort blieb er noch einmal stehen und sagte: »Es ist Post für dich da. Sie liegt auf dem Tisch in der Diele.«
    Erika, nun allein im Wohnzimmer, versuchte nicht über Johnny Brennan nachzudenken, aber immer wieder kehr­ten ihre Gedanken zu ihm zurück. Daher war sie froh, als das Geräusch eines vorfahrenden Autos sie ablenkte.
    Noch ehe sie die Diele erreicht hatte, wußte sie, daß es Huey Brockton war, denn sie kannte das verspielte Stak­kato, mit dem der Summer betätigt wurde. Sie machte nicht auf, sondern lehnte sich gegen die Tür und sagte: »Bedaure, niemand zu Hause.«
    »Och, sei doch nicht so, Erika.«
    »Geh weg, Huey, es ist schon spät.«
    »Ich muß einen Augenblick mit dir reden. Bitte«, sagte er kläglich, »hier draußen ist es eiskalt.«
    Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken und öffnete. Huey, der an diesem warmen Augustabend ein seidiges Sporthemd mit aufgerollten Ärmeln trug, hatte die Arme um sich geschlagen.
    »Brrr«, sagte er. »Muß ein früher Frosteinbruch sein.« Er schloß die Tür und langte nach ihr. Sie entzog sich ihm schnell. »Ein sehr früher Frosteinbruch.«
    »Komm, laß das«, sagte sie. »Du hast ein kurzes Ge­dächtnis. Wenn ich mich recht erinnere, sagte ich, daß ich dich nicht wiedersehen will.«
    »Wir alle machen mal Fehler«, meinte er grinsend und strich sich über sein glänzendes blondes Haar. »Außerdem bin ich hergekommen, um mich zu entschuldigen. Ich hab das alles nicht so gemeint, was ich da über deinen Onkel gesagt habe. Ich mag den alten Burschen wirklich leiden, Erika, ehrlich.«
    »Und wie du ihn magst! Und dein Vater erst.«
    »Also schau, ich kann doch nichts dafür, wenn Vater und dein Onkel nicht miteinander auskommen. Das Beste, was wir tun können, ist doch, uns zu vertragen. Eine Art Frie­densschluß.«
    »Sehr rührend«, sagte Erika kühl. »Und ich nehme an, du weißt, was dein Vater gerade macht? Die Aktionärsver­sammlung?«
    »Ich kümmere mich nie um diesen ganzen Quark.«
    »Du weißt, was er versucht, nicht wahr? Er versucht, Onkel Bell auf die Straße zu setzen, oder stimmt das etwa nicht?«
    »Geschäft ist Geschäft«, sagte Huey nüchtern. »Wenn dein Onkel damit nicht fertig wird, sollte er gehen. Also, würdest du jetzt bitte mal diese elende Fabrik aus dem Spiel lassen und über uns reden? Ich möchte mich mit dir am Sonnabend treffen.«
    Erika wandte ihm den Rücken zu und ging zum Ablage­tischchen. Dort lagen drei Briefe, die Adresse nach oben.
    »Also, wie ist es?« fragte Huey.
    Sie öffnete den ersten Brief und las seinen kurzen Inhalt.
    »Ich habe gefragt, was nun ist«, sagte Huey gereizt. »Treffen wir uns Sonnabend abend?«
    »Nein«, sagte Erika lächelnd. »Nein, tut mir leid, Huey. Ich bin schon verabredet.«
    Wenn Gabriel Lesca nicht gewesen wäre, dann hätte Johnny seinen neuen Job bereits am zweiten Tag hinge­schmissen. Das Materiallager von Lacy & Co. sah aus wie das Zentraldepot für das größte, komplizierteste Puzzle­spiel der Welt. Es gab da an die zweitausend Behälter mit verschiedenen Werkzeugen und Maschinenteilen, und falls Lacy erwartet haben sollte, daß er sich die alle einprägte, dann mußte er nicht ganz dicht sein.
    Aber der alte Gabe Lesca fältelte sein runzliges Gesicht zu einem verständnisvollen Lächeln. »Ganz ruhig bleiben, Jun­ge«, sagte er. »Keiner erwartet, daß du gleich alles kapierst. Ich habe vierzig Jahre gebraucht, um hier durchzusteigen. Du machst einfach, was ich sage. Ich nehme die Ausgabezettel, und du suchst die Teile für mich raus nach den Zahlen auf den Behältern. Und an einem Abend in der Woche kannst du dann alles in die Bestandsliste aufnehmen.«
    »Abends?«
    »Ja, freitags abends arbeitest du bis acht; wir können die Bestandsliste nicht während der normalen Arbeitszeit füh­ren. Aber mach dir man keine Sorgen«, lachte er, »du kriegst die Überstunden ja bezahlt.«
    Gabe war der älteste Mann, den Johnny je hatte arbeiten sehen. Er hätte den Alten auf über siebzig geschätzt, aber als er ihn gut genug kannte, um ihn zu fragen, zwinkerte Gabe ihm zu und sagte vierundsechzig. Es überraschte Johnny nicht, als er hörte, daß Gabe der

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