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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Scheck ab.«
    »Danke«, sagte Johnny.
    Er verließ das Verwaltungsgebäude, ohne den Umweg über die Apotheke zu machen. Den restlichen Nachmittag über bummelte er ziellos durch die Stadt. Um sechs sah er in einem Fenster das Schild ZIMMER. Er erkundigte sich, und das billigste war ein Zimmer nach hinten raus für neun Dollar die Woche, zahlbar im voraus.
    Er borgte sich Briefmarke, Briefbogen und Umschlag von seiner Wirtin, steckte einen Dollarschein in den Um­schlag und suchte im Telefonbuch nach Erika Lacys Adresse. Er fand sie unter Beldon Lacy, RFD 1, Sycamore Hills. Dann schrieb er:
    Liebe Erbin,
    dies ist die erste Rate. Jetzt schulde ich Ihnen neunund­zwanzig Dollar und Dank.
    Johnny
    P. S. Ich habe Arbeit. Kann ich Sie irgendwann sehen? Wie wär’s mit Sonnabend?
    Als Erika die Auffahrt zu dem Steinhaus am Berg hinauf­fuhr, sah sie Onkel Bells Wagen in der Garage stehen. Beldon Lacy kam unter der Woche selten nach Hause, sondern zog es vor, in seinem spartanischen Zimmer im Iron Club zu übernachten. Wenn er einmal auftauchte, dann trieb ihn für gewöhnlich seine üble Stimmung.
    Sie traf ihn im Wohnzimmer vor einer ungeöffneten Fla­sche Whiskey und einem leeren Glas an.
    »Hallo«, sagte sie und versuchte zu lächeln. »Was ist los? Bist du aus dem Club geflogen, weil du deine Geträn­kerechnung nicht bezahlt hast?«
    »Ich hatte einfach Lust, nach Hause zu kommen.«
    Sie nahm ihm gegenüber Platz und betrachtete ihn ge­nau.
    »Dazu kenne ich dich zu gut. Irgend etwas macht dir Kummer. Ist es Brockton?«
    »Ist es nicht immer Brockton? Bloß haben sich diesmal die Dinge zugespitzt.«
    »Was hat er gemacht?«
    »Es ist nicht, was er getan hat, sondern was er vorhat. Er kam heute in mein Büro und forderte mich auf, sein An­gebot noch einmal zu überdenken. Ich sagte ihm, daß ich meine Beteiligung nicht für eine Million verkaufen würde, so wie ich es ihm schon immer gesagt habe. Aber das hat ihn überhaupt nicht beeindruckt.«
    »Er kann dich doch nicht zwingen zu verkaufen ...«
    »Meinst du? Du kennst Brockton nicht. Er kann zwar ein Maul nicht von einer Muffe unterscheiden, aber er be­herrscht mehr Tricks als Houdini.« Er nahm die Whiskey­flasche auf und besah sich das Etikett. »Er will eine au­ßerordentliche Aktionär sversammlung einberufen. Er hat vor, den Kampf mit ihrer Hilfe weiterzuführen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er denkt, er bekommt genug Aktionäre auf seine Seite, um mich ein für allemal kaltzustellen. Wenn er mich nicht aufkaufen kann, kann er mich doch rauskleben, mich und meine altmodischen Methoden.«
    »Das wird nicht funktionieren«, sagte Erika kategorisch. »Die Fabrik kommt ohne dich nicht aus, Onkel Bell. Selbst wenn Brockton das nicht begreift, die andern Ak­tionäre wissen das. Du hast das alles aufgebaut.«
    »Unterschätze ihn nicht, Erika. Genau den Fehler habe ich vor drei Jahren gemacht. Er weiß, wie er die Leute kö­dern kann. Er redet ihnen mit Dividenden und Veräuße­rungsgewinnen und all solchem Zeug die Köpfe zu.« Er machte die Flasche auf und goß sich einen Whiskey ein.
    »Ich habe nicht vor, mich bei dir auszuweinen. Ich werde mit Brockton schon fertig, mach dir keine Sorgen. Ich bin noch immer mit allem fertiggeworden.« Er trank sein Glas in einem Zuge aus und stand auf.
    »Ich denke, ich verzieh mich heute nicht so spät in mei­ne Koje«, sagte er.
    Sie zögerte mit ihrer nächsten Frage, bis er fast die Tür erreicht hatte. »Onkel Bell ...«
    »Ja?«
    »Ist Johnny Brennan heute zur Arbeit erschienen?«
    Er drehte sich um. »Ja, mit strahlenden Kinderaugen und quietschvergnügt. Wir haben ihn durch die Mangel ge­dreht, und morgen fängt er im Materiallager an. Ich muß Gabe noch sagen, daß er ihn im Auge behält, damit er nicht mit der Ladenkasse durchbrennt.«
    »Das ist nicht fair«, sagte Erika. »Ich habe dir doch alles von ihm erzählt. Er ist kein Dieb.«
    »Wieso bist du so sicher?«
    »Weil sich kein Dieb so verhalten hätte wie er. Ich glau­be, du kannst ihm trauen, Onkel Bell.«
    »Traust du ihm?« fragte er zweifelnd.
    »Ja.«
    Ihr Onkel runzelte die Stirn. »Hast du mir nicht erzählt, er wäre so was wie ein Kriegsheld? In Korea?«
    »Er hat nicht gesagt, daß er ein Held ist, sondern daß er böse verwundet war. Er war lange Zeit in einem Lazarett.«
    »Komisch«, grunzte er. »Weil er nämlich bei der ärztli­chen Untersuchung für die Versicherung großartig abge­schnitten hat. Diese Militärärzte müssen

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