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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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älteste Arbeit­nehmer der Firma war, daß er an Beldon Lacys Seite in dessen erster, gerade gegründeter Maschinenfabrik gear­beitet hatte. Das war gegen Ende des Ersten Weltkrieges gewesen. Wenn Gabe vom Chef sprach, und das tat er oft, dann geschah es voller Ehrfurcht.
    »Solche Leute wie Bell Lacy gibt’s nicht mehr«, sagte Gabe eines Tages beim Mittagessen. »Bell hat diese Fa­brik Stein für Stein aufgebaut. Ja, sicher, es gibt schon welche, die ihn nicht leiden können und vielleicht nicht ohne Grund, aber es gibt keinen, der das nicht anerkennt.«
    »Was ist eigentlich mit diesem Brockton?« fragte John­ny. »Der Name scheint hier so eine Art Schimpfwort zu sein.«
    »Das stimmt«, sagte der alte Mann bitter. »So um 1958, als die Zeiten schlecht waren, geriet die Firma in Schwie­rigkeiten. Der Absatz war schleppend, Aufträge wurden storniert, und Bell saß mit einem Haufen neuer Maschinen da, die er nicht bezahlen konnte.
    Und da kam dieser Brockton ins Spiel. Er hatte etwas, was Bell gerade da dringend brauchte – Geld. Er bot an, sich einzukaufen, den neuen Maschinenpark zu bezahlen und die Fortzahlung der Löhne zu garantieren, wenn Bell ihn zum Teilhaber machte. Na ja, was anderes blieb Bell kaum übrig.
    Seitdem versucht Brockton, die Firma nach und nach gänzlich an sich zu bringen. Er war es, der Bell dazu über­redet hat, Firmenanteile zu verkaufen, und wir haben jetzt mehr verdammte Besitzer als man in den Hintern treten kann. Das wird Bell noch Ärger machen, du wirst schon sehen.«
    »Es ist ein Geschäft, oder nicht?« sagte Johnny. »Solan­ge Brockton seine Sache gut macht …«
    »Er will Bells Skalp!« sagte der alte Mann ärgerlich. »Und das ist sein einziges Ziel. Dazu soll auch diese ver­dammte Aktionärsversammlung dienen. Es ist nicht fair!« rief Gabe und schlug mit der Faust auf den Tisch, was ihm neugierige Blicke eintrug. »Es ist nicht fair!«
    Jemand am Nachbartisch sagte etwas, und die Runde lachte. Gabe richtete sich kerzengerade auf und beendete seine Mahlzeit ohne ein weiteres Wort.
    Johnnys Vermieterin stellte sich als ein mütterlicher Typ heraus. Sie versetzte die Knöpfe an dem Jackett seines neuen Anzugs und änderte die Hosenaufschläge, und als er sich am Sonnabend für seine Verabredung mit Erika Lacy zurechtmachte, sah er schon sehr viel adretter aus.
    Erika hatte ihm geschrieben und vorgeschlagen, ihn mit dem Auto von der Pension abzuholen. Als das Kabriolett am Bordstein hielt, stieg er mit einem verlegenen Lächeln ein und sagte: »Ich fühle mich wie ein Gigolo.«
    Erika lachte. »Es ist einfach praktisch, meinen Wagen zu benutzen. In Point Placid kommt man ohne Auto nicht weit.«
    Er überließ Erika die Wahl des Restaurants. Es war ein kleines Fachwerkhaus, das von der Straße aus fast nicht zu sehen war. Das Restaurant war klein, die Atmosphäre an­heimelnd und die Preise auf der Speisekarte waren, wie Johnny mit Erleichterung feststellte, maßvoll. Er bestellte eine Flasche Rotwein, was sich als gute Geldanlage her­ausstellte. Die Unterhaltung ging jetzt leichter.
    »Der Job macht Ihnen also wirklich nichts aus?« fragte Erika. »Selbst wenn Sie nicht wissen, was das alles für Teile sind?«
    »Ich bin dabei zu lernen«, sagte Johnny fröhlich. »Ich kann Ihnen jetzt den Unterschied zwischen einem Nocken und einem Kurbelzapfen erklären. Und ich weiß, was ein Nuteisen ist oder eine Polierscheibe, was man zum Honen nimmt und was zum Stanzen.«
    »Klingt wie eine fremde Sprache.«
    »Ist es auch, jedenfalls für jemand, der gerade noch auf einer Farm gearbeitet hat. Wenn der alte Gabe nicht wäre, dann steckte ich wirklich in der Klemme. Er ist ein großar­tiger Bursche, aber ich möchte nicht wissen, wie alt er ist.«
    »Vierundsechzig«, sagte Erika lächelnd. »Noch ein Jahr bis zu seiner Pensionierung, und das schon seit einer
    Ewigkeit. Aber keiner stört sich daran. Jeder weiß, daß Gabe augenblicklich aufhören wird, wenn er nicht mehr in Höchstform ist. Ohne ihn wird die Fabrik nicht mehr sein, was sie mal war.«
    Der Gedanke schien sie traurig zu machen, aber viel­leicht war es auch etwas anderes. Plötzlich hob sie ernst die Augen und sagte: »Johnny, dürfte ich Sie etwas fra­gen?«
    »Natürlich.«
    »Als Sie damals im Lazarett waren, hat man da bei Ihnen mit plastischer Chirurgie gearbeitet? Bei Ihren Verletzun­gen, meine ich?«
    Er erstarrte. »Ja, natürlich. Warum fragen Sie?«
    »Onkel Bell sagte etwas von Ihrer Untersuchung

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