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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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seinen Vornamen weiß ich nicht mehr.« Der Wachtmeister gluckste. »War ein toller Hecht. Bei den Frauen war er King, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Nein.«
    »Na, er war Junggeselle, wenn Sie verstehen, was ich meine. Einer von diesen richtigen Playboy-Typen mit dem Leopardenfell vor dem Kamin und der leisen Musik und der Briefmarkensammlung. Wenn Sie die Damen gesehen hätten, die vor seiner Wohnung förmlich Schlange stan­den, da wären Ihnen die Augen aus dem Kopf gefallen. Echte Klassefrauen. Klar, das war Beeman, da gibt’s nichts.«
    »Was wurde aus ihm?«
    »Oh, das ist vielleicht drei oder vier Jahre her. Die Nacht werde ich nie vergessen, als diese Lady hier reingeplatzt kam.«
    Er hatte sich mit erinnerungsseligem Lächeln an den Diensthabenden gewandt. »Eine Blondine – und Mann, was für Formen! Sie war so halb an- und halb ausgezogen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und schrie Zeter und Mordio. Bloß war’s gar kein Mord. Dieser Beeman-Typ hatte gerade in seiner Wohnung das Zeitliche gesegnet. Herzinfarkt. Heftige Anstrengung, hieß es. Na, Sie können sich schon vorstellen, was der gemacht hat.« Er gluckste entzückt.
    »Dieser Beeman ist tot, sagen Sie?«
    »Genau. Ich kann ja mal eben in den Akten nachsehen. Mir fällt doch nicht sein Vorname ein.« Er stand auf und ging zu einem Aktenständer.
    »Nein«, sagte Bill, »das ist nicht der Mann, den ich su­che.«
    »Eine Sekunde, hier habe ich’s schon.« Er zog einen gelben Schnellhefter heraus, schlug ihn auf und sagte: »Richtig, so hieß er, Don Beeman. Er war erst sechsund­zwanzig, als es passierte. Armes Schwein.«
    »Nein«, sagte Bill noch einmal. »Das ist nicht der Bur­sche, den ich suche. Aber danke, vielen Dank.«
    Das Telefon läutete gerade, als er seine Wohnung am Wa­shington Square betrat, läutete mit ungewohnter Hartnäckigkeit. Er nahm den Hörer ab und brauchte einen Augen­blick, um zu begreifen, daß die Stimme, die diese wirren, aufgeregten Worte hervorstieß, Dr. Leavitt gehörte.
    »Was ist los?« fragte er. »Geht es um Joyce?«
    »Ich glaube, Sie sollten herkommen«, antwortete der Arzt. »So schnell Sie können.«
    »Geht es Joyce gut?«
    »Sie ist okay, aber ich denke, Sie sollten sofort raus­kommen.«
    Bill legte ohne ein weiteres Wort auf. Er zog sich noch einen warmen, wollenen Pullover unter den Mantel und verließ das Haus. Die Fahrt nach New Jersey ging langsam vonstatten. Er mußte erst die U-Bahn und dann zwei ver­schiedene Busse nehmen und schließlich noch ziemlich weit bergauf laufen, bis er endlich die kleine Privatklinik erreichte. Bei seinem Eintritt fand er die Anmeldung ver­lassen vor. Also ging er weiter, den Flur entlang, der zu einem Rechteck aus warmem Licht führte. Dort in der Tür stand eine kräftig gebaute Frau. Ihr Schwesternhäubchen saß ihr schief auf den grauen Haaren, und sie rang ihre dicken Hände. Er nickte ihr zu und betrat den kahlen Raum. Auf einer Bank saß ein junger Arzt und starrte vor sich hin. Erklärungheischend sah Bill zu Dr. Leavitt hin­über, und was er in dessen altem Gesicht sah, war schlim­mer: eine Mischung aus Schock und Entsetzen.
    »Was ist los?« fragte er. »Was ist hier passiert?«
    Leavitt drehte sich um, als wolle er Bills Blick zum Fen­ster der Säuglingsstation lenken. Bill ging zu der Glas­scheibe hinüber und hörte das kräftige Geschrei eines Neugeborenen. Er wollte lächeln, ja vor Freude leise la­chen, als er den Gegenstand genauer sah, der dicht ans Fenster geschoben worden war.
    Es war ein Kinderbettchen, und es war leer.

Ein volles Programm
    D as Auto, das Strawhorn Hill hinaufkroch, war schwarz und verdächtig und geräuschvoll beim Schalten. Stella Chapman beobachtete sein Herannahen von dem großen Panoramafenster ihres Wohnzimmers aus und schauderte bei dem Gedanken an die Reaktionen, die es bei den Hausfrauen des traulichen Gemeinwesens aus­lösen würde, das so ein Vorort bildete. Aber jetzt ließ es sich nicht mehr aufhalten; die Limousine kam knirschend vor ihrem Kletterrosenzaun zum Stehen, und der kurzbei­nige Fahrer quälte sich grunzend aus seinem Sitz. Er sah so absurd aus wie sein Auto; der Nadelstreifen seines An­zugs war unvorschriftsmäßig weit, sein Hemd zerknittert, sein Schlips ein kalifornischer Sonnenuntergang. Er schritt zur Tür.
    Er betätigte mit dicken Fingern die Türglocke, und Stella beeilte sich, ihn hereinzulassen. Sie war nicht für den Empfang von Besuchern gekleidet. Ihr Hauskleid

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