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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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schön dabei. Genug, daß ich dies Haus, das Auto und all die an- dern Sachen kaufen konnte.«
    »Aber warum hast du mir das denn nie gesagt?«
    »Weil ich dachte, du würdest mich auslachen. Du und all die anderen hier oben. Die meinen doch alle, jedermann müßte einfach so einen sauberen Schreibtischjob in einem schicken, vollklimatisierten Büro mit dreistündiger Mit­tagspause und diesen ganzen Sachen haben …«
    »Oh, Frank!«
    Stella warf sich ihrem Mann an den Hals, ihre Arme umschlangen ihn, und sie lachte, lachte Tränen der Er­leichterung. Sie herzte ihn, bis er sich ihr ganz zuwandte und ihr einen glücklichen, warmen Kuß auf die Lippen drückte.
    Er stieg aus dem Bus Nr. 7 an der Ecke zur 50. Straße und ging nach Norden, bis er den Apartmentblock erreicht hat­te. Der Fahrstuhlführer nickte ihm vertraulich zu, und er stieg in den Lift.
    Als sie die Tür öffnete, trug Ellen ein blaues Chiffon­kleid, das so durchsichtig war wie getöntes Glas. Sie legte ihm den Arm um die Taille und hob ihm ihren Mund ent­gegen, damit er sie küsse.
    »Wir beeilen uns lieber ein bißchen«, sagte sie. »Ralph meinte, er würde mich um zehn anrufen.«
    Frank sah auf seine Uhr und runzelte die Stirn. »Ich habe auch noch einen Termin.« Er begann, an seiner Krawatte zu nesteln – und hatte sich ihrer entledigt, als sich die Schlafzimmertür hinter ihnen schloß.

Ein Glied in der Kette
    N atürlich mußte es an der Tür klingeln! Der Tag be­stand überhaupt nur aus lauter ärgerlichen Unterbre­chungen, und Ellen hatte für sie allmählich eine verbisse­ne Duldung entwickelt. Als sie aber jetzt, wo der nackte Jonathon in seinem Bettchen schrie und strampelte, der Braten im Ofen schwarz und ungenießbar wurde und sich die Zeiger der Uhr viel zu schnell der Stunde entgegen­bewegten, in der ihr Mann nach Hause kam, das Schrillen der Türglocke hörte, schrie sie all ihre Entrüstung in die Welt hinaus. Die Welt hörte sie zwar nicht, wohl aber Jonathon. Er erhob ein kräftiges, mitfühlendes Gekreisch, so daß sie ihm verärgert einen Klaps auf seinen winzigen Popo gab.
    »Sei still! Sei still, hörst du?«
    Sie zog ein Bettuch über ihn und marschierte aus dem Kinderzimmer, wobei es ihr egal war, daß er es sofort wieder wegstrampelte. Als sie die Haustür aufriß und den würdevollen Fremden mit einwärts gerichteten Fußspitzen auf dem mit dem Wort ›Willkommen‹ verzierten Fußab­treter stehen sah, starrte sie ihn nur ungastlich an und sag­te: »Ja?«
    »Mrs. Angstrom?« Er nahm den Hut ab, der Kälte einen blanken Schädel aussetzend. »Mein Name ist Dr. Pepys; darf ich hereinkommen und mit Ihnen sprechen?«
    Sie hätte nein gesagt, wenn der Titel sie nicht daran ge­hindert hätte. Auch entsprach er mit seinem ernsten, hohl­wangigen Gesicht und dem kleinen weißen Schnurrbart ganz ihrer Vorstellung von einem Doktor. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und trat beiseite, als er he­reinkam; dabei registrierte sie voller Neugier, daß er trotz der winterlichen Kälte keinen Mantel trug. Er schien un­beeindruckt von ihr; die Luft, die er mit sich hereinbrach­te, war mollig warm.
    »Ich hoffe, Sie werden mir diese Störung verzeihen«, sagte er und ging dabei zielstrebig auf den bequemsten Sessel des Wohnzimmers zu. »Bin aber von ziemlich weit hergekommen, um Sie zu sprechen. Macht’s Ihnen was aus, wenn ich mich setze?«
    »Nein, natürlich nicht.« Sie hörte auf, ihn anzustarren, und verband nun seinen Titel mit dem Bild eines Unfalls und plötzlicher Erkrankung. »Es ist doch nicht wegen meines Mannes, oder?«
    »Nein, nein«, sagte der Mann und lächelte aufmunternd. »Nichts dergleichen, Mrs. Angstrom. Ich komme viel eher wegen Ihres Sohnes.«
    »Jonathon?«
    »Wenn Sie sich zu mir setzen würden ...« Er winke sie zu einem Sessel, und sie setzte sich hin, als sei seine Geste ein Befehl gewesen. Sie war sich plötzlich der Billigkeit ihrer Kittelschürze und des unfrisierten Zustandes ihrer Haare bewußt.
    »Danke«, sagte er nüchtern. »Ich denke, so können Sie am besten anhören, was ich zu sagen habe – sitzend.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich sagte schon, daß mein Besuch Ihren Sohn betrifft, Mrs. Angstrom, und so ist es. Sehen Sie …« Sein Blick veränderte sich seltsam. »Ihr Sohn ist mein Patient, und deshalb bin ich hier.«
    »Dr. Kaiser ist doch Jonathons Kinderarzt. Stehen Sie mit ihm in irgendeiner Verbindung?«
    »Ich bin kein Kinderarzt, Mrs. Angstrom, ich bin

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