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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Sie herein«, sagte sie kurz, »mein Koffer steht drinnen.«
    Lucas ging durch die Eingangshalle zur Treppe. Er kann­te das Haus und die düstere Pracht seiner Räume mit dem feierlichen Mobiliar, denn schließlich war er ja der einzige Taxifahrer von Medvale. Er fand den schweren, schwar­zen Schrankkoffer am Fuße der Treppe und wuchtete ihn sich auf den Rücken.
    »Ist das alles Gepäck, Miss Wheeler?«
    »Das ist alles. Ich habe die anderen Stücke schon zum Schiff vorausgeschickt. Mein Himmel, Lucas, ist Ihnen nicht furchtbar warm in den Sachen?« Sie öffnete eine Schublade und kramte darin herum. »Ich habe wahrscheinlich tausend Dinge vergessen. Gas, Strom, Telefon … der Kamin! Lucas, wären Sie so gut, da noch mal nachzusehen?«
    »Ja, Miss«, sagte Lucas. Er ging ins Wohnzimmer, vor­bei an den weiß verhängten Möbeln. Zwischen den ver­kohlten Holzstücken lag noch etwas Glutasche, und er drückte sie mit einem Schürhaken aus.
    Einen Augenblick später kam die Frau herein. Sie streif­te sich lange, seidene Handschuhe über. »Gut«, sagte sie atemlos, »ich denke, das war’s. Wir können jetzt los.«
    »Ja, Miss«, sagte Lucas.
    Sie wandte sich um, und er trat hinter sie, den Schürha­ken noch immer in der Hand. Er gab einen Laut von sich, der wie ein Schluchzen oder Stöhnen klang, als er das mit Asche überzogene Schüreisen hob und es voll auf ihren Hinterkopf herabsausen ließ. Ihre Knie knickten ein, und sie sank ohne jede Anmut auf den Teppich nieder. Lucas zweifelte nicht daran, daß sie tot war, denn er hatte schon mal einen verletzten Shorthornstier mit einem Hieb getö­tet, der kaum kräftiger gewesen war. Er bemühte sich, jetzt genauso ruhig zu handeln. Er brachte das Schüreisen zum Kamin zurück und rieb es an der heißen Asche ab. Dann trat er zu seinem Opfer und untersuchte die Wunde. Sie war häßlich, aber sie blutete nicht.
    Er nahm den leichten Körper ohne Anstrengung auf, ging durch die Schwingtür in den Hinterhof und von dort direkt hinaus in den dichten Wald, der den Besitz der Wheelers umgab. Als er eine geeignete Stelle für Geraldi­ne Wheelers Grab gefunden hatte, holte er sich einen Spa­ten und eine Schaufel aus dem Geräteschuppen.
    Es war Frühling, aber der Boden war hart. Als er fertig war, hatte er keinen Stutzer und keine Wollmütze mehr an. Zum ersten Mal seit Monaten war Lucas mal wieder rich­tig warm.
    Der April war seinem Ruf gerecht geworden; die Straßen waren mit Schlamm bedeckt, und auf der Auffahrt standen schwarze Wasserpfützen. Als das große, weiße Auto zum
    Stillstand kam, war sein Blechkleid mit dem roten Lehm von Medvale bekleckert. David Wheelers Frau stieg nicht aus, sondern wartete mit einem ungeduldigen Stirnrunzeln, bis ihr Mann ihr behilflich war. Sie stellte ihre hohen Hacken in den Schlamm und schüttelte ärgerlich den Kopf.
    David lächelte, er lächelte charmant und verzieh den Schlamm, den Regen und die schlechte Laune seiner Frau. »Na los, so schlimm ist’s auch nicht«, sagte er. »Nur ein paar Schritte.« Er hörte, wie sich die Haustür öffnete, und sah seine Tante Faith ihnen zuwinken. »Da ist ja die alte Zigeunerin«, sagte er glücklich. »Jetzt denk bitte an das, was ich dir gesagt habe, Liebling. Wenn sie anfängt, von Gespenstern und spiritistischen Sitzungen zu erzählen, dann verzieh bloß keine Miene.«
    »Ich werd’s versuchen«, sagte Rowena trocken.
    Im Hauseingang kam es zu einer liebevollen Kollision zwischen David und seiner Tante; er schlang die Arme um ihren beträchtlichen Leibesumfang und drückte seine Pa­triziernase gegen ihre runde Backe.
    »David, mein hübscher Junge! Wie schön, dich zu se­hen!«
    »Ich freue mich auch, Tante Faith!«
    Sie waren schon im Haus, als David die beiden Frauen miteinander bekannt machte. David und Rowena hatten vor zwei Jahren in Virginia geheiratet, aber Tante Faith bewegte sich niemals über die Grenzen von Medvale County hinaus.
    Die alte Dame prüfte Rowena mit einem glühenden Blick.
    »Oh, meine Liebe, wie schön Sie sind«, sagte sie. »Da­vid, du Unmensch, wie konntest du sie nur ganz für dich behalten?«
    Er lachte, sie legten die Mäntel ab und gingen dann alle zusammen ins Wohnzimmer. Dort fand die momentane Heiterkeit ein Ende. Am Kamin stand ein nervös rauchen­der Mann, und David fiel der schlimme Anlaß dieser Zu­sammenkunft wieder ein.
    »Lieutenant Reese«, sagte Tante Faith, »das sind mein Neffe David und seine Frau.«
    Reese war im Begriff,

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