Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.
veranstaltete das Heim ein Picknick am Crompton Lake. Man entdeckte, daß ein achtjähriges
Mädchen mit Namen Dorothea fehlte. Sie konnten sie nicht finden, bis Iris zu schreien anfing.«
»Zu schreien ...?« sagte Rowena.
»Diese Gesichte verursachen ihr große Schmerzen. Sie war aber trotzdem in der Lage, den Ort zu bezeichnen, an dem man Dorothea finden würde; sie war abgestürzt, und man fand sie halb tot in einer kleinen Natursteinhöhle.«
Rowena erschauerte.
»Du hattest recht«, sagte David vergnügt. »Ich kann dir nicht zustimmen, Tantchen. Ich kann mich dieser ganzen Geistergeschichte nicht anschließen; wir sollten die Sache lieber der Polizei überlassen.«
Tante Faith seufzte. »Ich wußte, daß du dieser Ansicht sein würdest. Aber ich muß das tun, David. Ich habe mit dem Heim vereinbart, daß Iris einige Zeit bei uns verbringt, damit sie … mit Geraldines Aura vertraut werden kann, die noch im Hause ist.«
»Ist das dein Ernst? Du hast das Mädchen hierher eingeladen?«
»Ich wußte, daß dir das nicht lieb sein würde. Aber die Polizei kann Geraldine nicht finden, sie haben nicht die kleinste Spur entdeckt. Iris kann das.«
»Das lasse ich nicht zu«, sagte er fest. »Es tut mir leid, Tantchen, aber die ganze Geschichte ist lächerlich.«
»Du kannst mich nicht hindern. Ich hatte nur gehofft, daß du mitmachen würdest.« Sie sah Rowena an, und ihr Blick wurde weich. »Sie verstehen mich, meine Liebe, das weiß ich.«
Rowena zögerte und berührte dann die Hand der alten Frau. »Ja, Mrs. Demerest.« Sie sah David mit einem seltsamen Lächeln an. »Und ich würde Iris sehr gern kennenlernen.«
Der Efeu war nicht in der Lage, die steinerne Kälte und die Häßlichkeit des Mädchenheims von Medvale zu mildern. Es war zu einer Zeit erbaut worden, als man Waisenhäuser noch mit Strafanstalten gleichsetzte, und es wirkte deprimierend auf David.
Die Vorsteherin des Heims, Schwester Klothilde, betrat ihr Büro, setzte sich energisch nieder und faltete die Hände. »Ich muß Ihnen wohl nicht sagen, daß ich dagegen bin, Mrs. Demerest«, sagte sie. »Ich halte es für völlig verfehlt, Iris noch in ihrer Verblendung zu bestärken.«
Die Frau schien Tante Faith einzuschüchtern; ihre Antwort klang ängstlich. »Verblendung, Schwester? Es ist eine Gottesgabe.«
»Wenn diese ... Fähigkeit von Iris irgendeinen spirituellen Ursprung hat, dann liegt der, wie ich fürchte, ganz woanders. Nicht, daß ich damit das Vorhandensein einer Gabe eingestünde.«
David lächelte sein gewinnendstes Lächeln, aber Schwester Klothilde schien dagegen immun zu sein.
»Ich freue mich, daß ich eine Verbündete habe«, sagte er. »Ich habe meiner Tante gesagt, daß das alles Unsinn …«
Schwester Klothilde fuhr ärgerlich auf. »Es ist zutreffend, daß Iris einige bemerkenswerte Dinge vollbracht hat, die zu erklären wir nicht in der Lage sind. Aber ich hoffe, das wird sich geben – was immer es sein mag – und sie wird ein ganz normales, glückliches Mädchen werden. Im Augenblick ist sie …«
»Ist sie sehr unglücklich?« fragte Tante Faith traurig.
»Sie ist undiszipliniert, man könnte sogar sagen wild. In weniger als zwei Jahren, wenn sie die Volljährigkeit erreicht, werden wir sie entlassen müssen – und wir würden es sehr gern sehen, wenn sie dann ein besserer Mensch wäre, als sie es heute ist.«
»Aber Sie überlassen sie uns doch, Schwester? Sie darf doch mit uns kommen?«
»Meinen Sie etwa, meine schwächlichen Einwände hätten irgendein Gewicht, Mrs. Demerest?«
Wenig später wurde Iris Lloyd hereingebracht.
Iris war ein Mädchen im Backfischalter. Lange, schlack- sige Arme und Beine ragten aus einem Kittelkleid, aus dem alle Farbe herausgewaschen und jede Form herausgestärkt worden war. Ihr strähniges Haar war entweder schmutzigblond oder einfach nur schmutzig; David vermutete letzteres. Sie hatte einen plattfüßigen Gang und verdrehte andauernd die Arme. Sie hielt den Blick gesenkt, als Schwester Bertha mit ihr vortrat.
»Iris«, sagte Schwester Klothilde, »du kennst ja Mrs. Demerest. Und das ist ihr Neffe, Mr. Wheeler.«
Iris nickte. Und dann hob sie so schnell, daß es fast nicht wahrnehmbar war, die Augen und durchbohrte sie mit einem Blick von derart intensiver Feindseligkeit oder Tücke, daß David seine Überraschung beinahe hörbar werden ließ. Die anderen aber schienen das alles gar nicht bemerkt zu haben.
»Du erinnerst dich an
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