Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
die Südsee. Sein Verschwinden ließ zwar die Aktien seiner Gesellschaft ins Trudeln geraten, aber das hatte keinen Einfluß auf das Vermögen, welches in die Hände von Sal- vadore Ross übergegangen war.
    Der Makler, der Sal in dem Penthouse an der East Side untergebracht hatte, wollte sich mit seiner Frau ausschüt­ten vor Lachen über diese Transaktion. Wenn ein steinal­ter, verschrumpelter Knilch wie Ross so eine Art von Junggesellenbehausung haben wollte, dann konnte man über diese Ungereimtheit schon lachen. Auch die Ange­stellten im Haus kicherten, aber nur hinter dem Rücken des alten Mannes. Schließlich war er zu reich, als daß man ihn hätte beleidigen dürfen.
    Albert – der Junge, der bei Nacht den Lift bediente – war ganz besonders höflich. Der Alte fand Gefallen an ihm; sein erstes Trinkgeld hatte zur Anschaffung eines schicken, gebrauchten Anzuges gereicht. Albert, der neunzehn Jahre alt war, hatte außer Frauen vor allem Kleider im Kopf.
    Eines Nachts brachte er den Alten nach oben, und dieser war noch netter zu ihm als sonst – er lud ihn sogar nach Dienstschluß zu einem Drink in seine Wohnung ein. Und bei der Gelegenheit stellte er ihm viele Fragen.
    »Wie alt bist du, Albert?«
    »Im vergangenen April bin ich neunzehn geworden.«
    »Wieviel verdienst du im Jahr?«
    Albert wurde rot. »Weiß nicht. Ich kriege 36 Dollar die Woche.«
    »Was meinst du, wie lange es dauern würde, tausend Dollar zusammenzusparen?«
    »Nie«, griente Albert, »ich könnte nie so viel sparen.«
    »Was würdest du für so viel Geld geben?«
    »Wie?«
    »Du bist erst neunzehn. Was, wenn du zwanzig wärst? Würde dir das viel ausmachen?«
    »Nee, neunzehn, zwanzig, was macht’s für’n Unter­schied?«
    »Würdest du so einen Tausch machen? Ein Jahr gegen tausend Dollar eintauschen?«
    »Mann, und ob!«
    Ross lächelte. Sein Mund war eine schwarze Höhle. Er zog eine Schreibtischschublade auf und entnahm ihr ein Scheckheft. Er schrieb umständlich. Albert besah sich die zittrige Schrift und pfiff durch die Zähne.
    »Wau, ist das für mich, Mr. Ross?«
    »Klar doch«, gackerte der alte Mann. »Dafür hast du doch gerade das Tauschgeschäft gemacht, Albert, ein sehr gutes Geschäft. Und wenn du mal wieder Jahre verkaufen möchtest, dann wende dich nur an mich. Und erzähl auch deinen Freunden davon; bei mir gibt’s immer gutes Geld gleich auf die Hand.«
    Eine Woche später kam Albert wieder. Abgesehen von dem neuen Anzug, den er anhatte, zeigte seine Erschei­nung keine erkennbare Veränderung. Als er ging, hatte er einen Scheck über fünftausend Dollar in der Tasche.
    Mit diesem neuen Vermögen bedacht, kündigte Albert seinen Job und ging auf einen Trip nach Westen. Der jun­ge Mann, der seine Stelle beim Lift einnahm, hieß Russell und war erst siebzehn Jahre alt. Er ging einen Monat spä­ter unter dem Vorwand einer ernsthaften Erkrankung. Die Hausverwaltung hatte keine Probleme, ihm das abzuneh­men – Russell sah um gut zehn Jahre gealtert aus.
    Und es kamen andere.
    Sechs Monate später trat Salvadore Ross vor den An­kleidespiegel in seinem mit dicken Teppichen ausgelegten Schlafzimmer und sah sich wieder als jungen Mann von sechsundzwanzig Jahren.
    Er stattete Leah Maitland an einem kalten Nachmittag im Oktober seinen Besuch ab. Er fand ihren alten Herrn im Rollstuhl vor, das Umhängetuch um seine Knie statt um seine Schultern geschlungen. Er war krank gewesen; seit Sal ihn zum letzten Mal gesehen hatte, hatte er einen Schlaganfall erlitten; so, wie die ärmliche Wohnung aus­sah, war das letzte Jahr hart gewesen. Selbst Leah sah schmaler aus, ihre großen Augen waren glänzender, ihr Blick verzweifelter.
    »Wo hast du denn gesteckt?« fragte sie leichthin. »Du warst jetzt schon fast ein ganzes Jahr nicht mehr hier, Sal.«
    »Ich hatte viel zu tun.« Er lächelte. »Arbeit neu, Woh­nung neu, alles neu. Es geht mir ziemlich gut jetzt, Leah.«
    Der alte Mann grunzte, sagte aber nichts. Er wandte sein kreidebleiches Gesicht von Sal ab und rollte ins Schlaf­zimmer.
    »Es tut mir leid, das mit deinem alten Herrn«, sagte Sal. »Es tut mir leid, daß er krank war. Muß alles ganz schön hart für dich gewesen sein.«
    »Du siehst ... verändert aus, Sal.«
    »Ich habe mich verändert«, sagte er stolz. »Schau her, glaubst du, daß du mal für ne Weile weg kannst? Zu einer kleinen Spazierfahrt?«
    »Spazierfahrt?«
    »Ich hab jetzt ein Auto«, sagte Sal beiläufig.
    Der Wagen stand draußen. Es war

Weitere Kostenlose Bücher