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Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Anstatt sich mit der Heimat zu befassen, äffen sie Drogenabhängige nach. Gangster mit goldenen Halsketten und Pistolen im Gürtel sind die neuen Idole. Ich verstehe das nicht. Früher wurde so etwas eingesperrt.»
    Das Einsperren war zwar etwas drastisch, aber der Mann wurde Heinlein zusehends sympathischer. «Um welchen Bildstock handelt es sich hier?»
    «Das ist eine sehr alte Geschichte. Sie handelt von Betrug und Totschlag.»
    «Erzählen Sie. Ich würde es gern erfahren.»
    «Schön, dass sich noch jemand für die alten Geschichten interessiert», sagte er und nahm zwei andere Steinbrocken zur Hand. Die Inschrift im Sandstein war kaum noch zu entziffern. «Hier steht: ‹Alle die ihr vorübergehet/habet acht ob ein/Schmerz gleich ist/meinem Schmerz.› Das hat der Stifter des Bildstocks, ein gewisser Adam Grimm, in den Stein hauen lassen, nachdem seine Tochter an dieser Stelle von einem Fuhrwerk überrollt worden war. Bis vor fünfzig Jahren verlief hier eine Straße, auf der der ganze Verkehr nach Würzburg abgewickelt wurde. Die Legende beschreibt sie als gläubige Christin, die auf dem Weg zur Tante war.»
    «Er muss sie sehr geliebt haben.»
    «Ja, obwohl er kein reicher Mann gewesen sein soll. Um so einen aufwendigen Bildstock in Auftrag zu geben, mussteer sein gesamtes Hab und Gut verkaufen und sich verschulden. Ein paar Jahre später ist auch er gestorben. Sein letzter Wunsch sei es gewesen, neben seiner Tochter begraben zu werden.»
    «Sie meinen, hier unter uns befinden sich noch seine Gebeine?»
    «Oder das, was von ihnen übrig ist. Es wurde nie nach ihnen gegraben.»
    Welch seltsamer Zufall, dachte Heinlein. Drei Tote an einem Ort. «Wie Sie wahrscheinlich wissen, haben wir dort in dem Loch eine Leiche gefunden.»
    «Der Bürgermeister hat es mir gesagt. Wissen Sie schon, um wen es sich handelt?»
    «Nein, die Identifizierung ist noch im Gange.»
    «Eine schändliche Tat und ein Frevel, einen Gedenkstein so zu beschmutzen. Abscheulich. Gott sei es gedankt, dass die Strafe auf dem Fuß gefolgt ist.»
    Heinlein horchte auf. «Ich verstehe nicht.»
    «Die Weiße Frau. Sie soll einen der Täter in den Tod getrieben haben.»
    «Nein, so war es nicht. Die Leiche lag schon länger hier. Damit haben die Jugendlichen wirklich nichts zu tun. Aber was sollte das mit einer Weißen Frau zu tun haben? Glauben Sie etwa daran?»
    Kremer zeigte sich erstaunt. «Sie nicht?»
    Heinlein gab der Objektivität den Vorrang. «Eine derartige mysteriöse Erscheinung ist nicht bewiesen.»
    «Aber sicher. Wir haben glaubhafte Zeugenaussagen und Dokumente über viele Jahrhunderte, die die Existenz einer Weißen Frau belegen. Nur will in der heutigen Zeit niemand mehr daran glauben. Sie tun es als Märchen ab. So, als hätte es früher nur Spinner gegeben. Dabei ist die Erscheinung von letzter Nacht doch nur der Beweis. Und wenn Sie mich fragen, dann kann ich Ihnen auch sagen, wer sie ist.»
    Jetzt ging der gute Mann einen Schritt zu weit. Bisher hatte er auf Heinlein sympathisch gewirkt, aber nun wollte er gar den Geist kennen, der an diesem Ort umgegangen sein sollte. Dennoch, wenn er glaubte zu wissen, was andere nicht wussten, dann sollte er mit der Sprache rausrücken.
    «Also gut», sagte Heinlein, «wer ist diese Weiße Frau?»
    «Mathilda, die Tochter Adam Grimms, die vor drei Jahrhunderten an dieser Stelle gestorben ist.»
    «Das ist doch nicht Ihr Ernst?»
    «Aber sicher. Die Toten können nicht eher ruhen, bis die Tat an ihnen gesühnt ist.»
    «Welche Tat?»
    «Mathilda wurde von einem Pferdefuhrwerk überfahren. Der Kutscher war der betrunkene Sohn eines Händlers aus Schweinfurt, der wegen der Tat niemals zur Rechenschaft gezogen wurde.»
    «Wieso nicht?»
    «Schon damals hat eine Krähe der anderen kein Auge ausgehackt. Sein Vater war wohlhabend und hatte Einfluss. Der Vogt des Fürstbischofs gehörte zu seinen Kunden. Mathilda ist der Fingerzeig des Jenseits auf diese schreckliche Ungerechtigkeit.»
    Heinlein rieb sich vor Verwunderung den Nacken. Für einen Moment wusste er nicht, was er diesem scheinbar gebildeten, aber gutgläubigen Mann entgegnen sollte. Der Volksglauben an Geister und umherirrende Untote ließ sich nicht mal mit den Methoden der modernen Wissenschaft entzaubern. Es gab nirgends die Spur einer tatsächlichen übernatürlichen Erscheinung. Sosehr er es sich in diesem Fall auch gewünscht hätte. Denn damit hätte er seinem Sohn Thomas wieder Vertrauen schenken können.
    Das Beste war, sich

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