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Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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aus dem Gespräch zu verabschieden. «Ich muss jetzt wieder an die Arbeit», sagte er. «Es war sehr interessant, mit Ihnen zu sprechen.»
    Kremer ließ ihn ziehen, obwohl er wusste, dass dieser Kriminaler ihn nicht verstanden hatte. «Denken Sie an meine Worte», sagte er und machte sich an das Einsammeln der übrigen Gesteinsbrocken.
    Im Schatten der Linde fand Heinlein sein Auto vor. Sosehr er sich bei seiner Ankunft über das ausgestorbene Dorf gewundert hatte, so erstaunt war er nun beim Anblick einer Gruppe von Dorfbewohnern, die sein Fahrzeug belagerte. In der Mehrzahl waren es alte Männer und Frauen, die Heinlein ungeduldig zu erwarten schienen.
    «Haben Sie sie gesehen?», fragte ein Alter.
    Eine Frau fiel ihm ins Wort, noch bevor Heinlein antworten konnte. «Sie erscheint doch nur nachts.»
    «Das stimmt nicht», widersprach eine weitere. «Sie soll schon tagsüber gesehen worden sein.»
    «Jetzt lasst den Kommissar endlich mal reden», befahl eine Vierte.
    Eigentlich wäre Heinlein ein Gespräch mit den Dörflern gelegen gekommen, man wusste nie, ob doch noch jemand etwas gesehen hatte. Aber er ahnte, worauf die Sache hinauslaufen würde.
    «Hat jemand von Ihnen letzte Nacht etwas beobachtet?», fragte er.
    Kopfschütteln machte die Runde.
    «Wenn Ihnen noch etwas einfällt», fuhr Heinlein fort, «dann melden Sie es bitte der Polizei. Wir sind für jeden Hinweis dankbar.»
    «Ich hab sie schreien gehört», sagte eine Alte, «wie eine Katz in der Nacht hat’se gejault.»
    «Du hörst doch schon seit zehn Jahren nichts mehr», widersprach ein Mann. «Dich könnte man mitsamt dem Bett aus dem Haus schaffen, ohne dass du was merkst.»
    Heitere Zustimmung machte sich breit, bis eine kleine, verschrumpelte Frau hervortrat. «Das letzte Mal war’se vorfünf Jahren da», sagte sie. «Sie kommt immer, wenn es so häß is wie in dem Jahr. Dann kommt’se aus ihrem feuchten Grab raus, die Mathild, an die frische Luft. Wehe dem, der’se trifft. Sie bringt den Tod.»
    Niemand wagte ihr zu widersprechen.
    «Kurz nach dem Krieg, 1947, ist sie en Heimkehrer begegnet. Dort owe, an der alten Strass war’s gewesen. Ich wess es no wie heut. Kreidebleich mit aufgerissene Augen ham’se ihn am nächsten Morgen g’funden. Die Else, mei Schwester, hat’se in der Nacht no schrei’n gehört. A Woch später war’se a tot.»

7
    Das Teebaumöl half überraschend gut gegen die bluttrunkenen Stechmücken. Nach dem ersten gescheiterten Angriff drehten sie beim nächsten Versuch ab und suchten eine wohlriechendere Nahrungsquelle.
    Erneut hatte sich Heinlein auf dem Balkon für die Nacht eingerichtet. Doch dieses Mal lag es nicht an einem Streit über das wünschenswerte Klima im Schlafzimmer, sondern weil er ungestört nachdenken wollte. Über ihm erstreckte sich der Nachthimmel mit einem perfekten Vollmond, der seinen silbrigen Schatten über das geschwungene Maintal warf.
    Es war ein ereignisreicher Tag gewesen, der nicht minder interessant zu Ende gegangen war. Das Abendessen hatte pünktlich mit seinem Eintreffen begonnen. Claudia, Vera und Thomas saßen bereits zu Tisch. Niemand sagte etwas. Erst als Heinlein einen guten Appetit wünschte, lockerte sich die Anspannung. Auch wenn es ihm schwerfiel, so hatte er sich doch vorgenommen, die Aussprache behutsam anzugehen, was ganz im Sinne Claudias war. Doch Thomas’ verbundener Unterarm irritierte ihn zusehends. Wenn an seiner Jacke das Blut des toten Jungen klebte und an dessen Kleidung das von Thomas, dann wurde es eng. Es gab zwar die Aussagen der anderen Jugendlichen, dass die beiden bereits am Bildstock miteinander gekämpft hatten und dass dabei Blut geflossen war, aber ein Staatsanwalt konnte das auch zu Lasten Thomas’ werten. Pia würde am nächsten Morgen das Ergebnis ihrer Untersuchungen präsentieren und Klarheit schaffen. Bis dahin gab es noch Hoffnung.
    «Ich nehme an», begann Heinlein, «du hast deiner Mutter von letzter Nacht erzählt.»
    Thomas nickte, ohne vom Suppenteller aufzublicken.
    Dann an Claudia gerichtet: «Und, was hältst du davon?»
    Sie räusperte sich. Es fiel ihr nicht leicht, aber im Zweifelsfall sah sie keinen Grund, ihrem Sohn zu misstrauen. «Ich glaube ihm», sagte sie knapp.
    Vera, inzwischen zur Frau herangewachsen, setzte noch eins drauf. Sie wischte sich die Lippen mit einer Serviette ab, bevor sie sprach. «Mysteriöse Erscheinungen dieser Art sind keine Seltenheit. Man findet sie in allen Ländern zu jeder Zeit. Ich habe vorhin

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