Das Moskau-Komplott
konnte gerade noch sehen, dass Elena den Arm in seine Richtung gestreckt hatte und eine Sprayflasche in der Hand hielt.
Die Sprayflasche, die ihr Gabriel im Flugzeug gegeben hatte.
Sie drückte einmal auf den Knopf und sprühte ihm eine Wolke zerstäubter Flüssigkeit ins Gesicht. Der Wachmann kämpfte mehrere Sekunden lang mit dem Gleichgewicht, und Elena fürchtete schon, dass das Betäubungsmittel nicht richtig wirkte. Dann fiel er mit einem dumpfen Schlag zu Boden und warf dabei den Tisch um. Elena musterte ihn nervös, während er auf dem Boden lag. Dann sprühte sie ihm ein zweites Mal ins Gesicht.
Das hast du davon, dass du mich angefasst hast, du Schwein.
Neun Stockwerke tiefer trat ein dicker Mann mit Filzhut in das Foyer bei den Privataufzügen und fluchte leise über sein Handy. Er blickte leicht genervt zu Luka Osipow hinüber und zuckte mit seinen massigen Schultern.
»Vor einer Minute hat das verdammte Ding noch funktioniert, aber als ich mich dem Haus genähert habe, war Schluss. Ob das der Geist Stalins ist? Mein Nachbar behauptet, er hätte ihn nachts durch die Flure wandern sehen. Ich hatte noch nie das zweifelhafte Vergnügen.«
Die Aufzugstür öffnete sich, und der Dicke verschwand darin. Luka Osipow ging zu den Fenstern der Eingangshalle hinüber und blickte auf die Straße. Mindestens zwei weitere Leute - eine Passantin auf dem Bürgersteig und ein Taxifahrer, der neben seinem Wagen stand - hatten offensichtlich Probleme mit ihrem Handy.
Vor einer Minute hat das verdammte Ding noch funktioniert, aber als ich mich dem Haus genähert habe, war Schluss...
Genosse Stalin mochte ein sehr mächtiger Mann gewesen sein, doch Luka Osipow bezweifelte, dass sein Geist etwas mit dem plötzlichen Zusammenbruch des Mobilfunknetzes zu tun hatte. Er vermutete etwas viel Greifbareres dahinter. Zum Beispiel einen Signalblocker.
Er unternahm noch einen weiteren vergeblichen Versuch mit seinem Handy, dann ging er zum Empfangstisch und fragte den Portier, ob er sein Festnetztelefon benutzen könne. Nachdem sich der Portier vergewissert hatte, dass er nur ein Ortsgespräch führen wollte, drehte er den Apparat herum, forderte ihn aber auf, sich kurzzufassen. Die Ermahnung war überflüssig gewesen. Das Telefon funktionierte nicht.
»Es ist tot«, sagte Osipow.
»Vor einer Minute ging es noch.«
»Hat sich jemand aus dem Haus wegen einer Telefonstörung bei Ihnen beschwert?« »Nein, niemand.«
Luka verließ den Empfangstisch und ging nach draußen. Als er an der Limousine ankam, hatte der Fahrer bereits seine Scheibe heruntergelassen. Luka steckte den Kopf durch die Öffnung und sagte dem Mann auf dem Beifahrersitz, er solle ins Foyer gehen und Wache halten. Dann drehte er sich um und ging in Richtung Kreml davon. Als er die Mitte der Großen Steinbrücke erreicht hatte, funktionierte sein Handy wieder. Sein erster Anruf galt der Wohnung auf den Spatzenhügeln.
58 Moskau
Der Fußboden war aus Hartholz und erst kürzlich gebohnert worden. Dennoch musste Elena all ihre Kräfte aufbieten, um die zwei Zentner des bewusstlosen Piotr Luschkow ins Badezimmer neben dem Schlafzimmer zu schleifen. Sie verschloss die Tür, dann kehrte sie zu Iwans Bürotür zurück. Die Mini-Tastatur war auf der linken Seite in Augenhöhe angebracht. Sie tippte den achtstelligen Zugangscode ein und legte den Daumen auf den Scanner. Ein Signal piepste dreimal, und die gepanzerte Tür schwang langsam auf. Elena trat ein und öffnete ihre Handtasche.
Der Schreibtisch war wie der Mann, der gelegentlich an ihm arbeitete, massig und finster und ohne jede Eleganz. Außerdem zählte er zufällig zu Iwans kostbarsten Schätzen, denn er hatte einmal Juri Andropow gehört, dem einstigen KGB-Chef, der 1982 Breschnews Nachfolge als Generalsekretär der Partei angetreten hatte. Neben dem Computermonitor und der Tastatur stand ein silbergerahmtes Foto von Iwans Vater in seiner KGB-Generalsuniform. Der Rechner selbst war unter dem Tisch versteckt. Elena bückte sich nach unten und schaltete ihn ein, dann öffnete sie eine kleine Klappe an der Frontseite und stöpselte das USB-Gerät ein, das ihr Gabriel im Flugzeug gegeben hatte. Nach ein paar Sekunden startete das Laufwerk, und der Computer begann zu surren. Elena blickte auf den Bildschirm: ein paar hebräische Buchstaben, ein Zeitbalken, der anzeigte, dass das Kopieren der Dateien zwei Minuten dauern würde.
Sie sah auf ihre Uhr, dann ging sie zu den prachtvollen Bücherschränken auf
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