Das Moskau-Komplott
blickte geradeaus den Leninskij Prospekt hinunter. »Ich gehöre schon zu den Guten«, sagte er leise. »Ich spiele nur in einem sehr schlechten Team.«
68 BOLotnata-Platz, Moskau
Der russische Präsident runzelte missbilligend die Stirn, als Gabriel, Elena und Grigorij Bulganow die Fahrbahn überquerten und zum »Haus an der Uferstraße« eilten. Bulganow legte seinen FSB-Ausweis auf den Empfangstisch und drohte dem Portier seelenruhig, ihm die Hand abzuhacken, wenn er das Telefon anrührte.
»Wir waren nie hier. Haben Sie verstanden?«
Der Portier nickte erschrocken. Bulganow steckte seinen Ausweis wieder in die Jackentasche und ging hinüber zum Privataufzug, wo Gabriel und Elena bereits in eine Kabine gestiegen waren. Als sich die Tür geschlossen hatte, zückten die beiden Männer ihre Makarows und luden sie durch.
Der Aufzug war alt und langsam, die Fahrt in den neunten Stock schien eine Ewigkeit zu dauern. Als die Tür endlich zur Seite glitt, drückten die beiden Männer Elena in eine Ecke und deckten sie mit schussbereit erhobenen Waffen. Ihre Vorsichtsmaßnahme erwies sich als unnötig, denn Vorraum und Wohnungsflur waren leer. Arkadij Medwedews hoch qualifizierter Sicherheitsmann war auf dem Sofa im Wohnzimmer eingeschlafen, als er sich auf Iwans Großbildfernseher einen Porno angesehen hatte. Gabriel weckte ihn, indem er ihm den Lauf der Makarow ins Ohr steckte.
»Wenn du ein gutes Hundchen bist, wirst du den Sonnenaufgang noch erleben. Wenn du ein böses Hundchen bist, werde ich auf Iwans Sofa eine Riesenschweinerei anrichten. Also was sagst du?«
»Gutes Hundchen«, sagte der Wachmann.
»Weise Entscheidung. Gehen wir.«
Gabriel ließ den Mann in Iwans Büro marschieren, wo Elena bereits dabei war, die Tresortür zu öffnen. Ihre Handtasche stand noch da, wo Medwedew sie hingestellt hatte. Die Disketten waren noch drin. Bulganow befahl dem Wachmann, in den Tresorraum zu gehen, und schloss die Stahltür. Elena drückte den Knopf hinter Band 2 von
Anna Karenina,
und die Bücherschränke glitten an ihren ursprünglichen Platz zurück. Dahinter begann der Wachmann zu schreien. Seine gedämpfte Stimme war kaum zu hören.
»Vielleicht sollten wir ihm etwas Wasser geben«, sagte Bulganow.
»Er wird es schon ein paar Stunden aushalten.« Gabriel blickte zu Elena. »Brauchen Sie noch etwas?«
Sie schüttelte den Kopf. Auf dem Weg zum Fahrstuhl gingen Gabriel und Bulganow voraus, die Makarows im Anschlag. Der Portier stand noch wie angenagelt auf seinem Platz hinter dem Empfangstisch. Bulganow ermahnte ihn noch einmal, den Mund zu halten, dann eilte er, von Gabriel und Elena gefolgt, zum Wagen hinaus.
»Mit etwas Glück sind wir vor Tagesanbruch über der Grenze«, sagte Bulganow, als er den Schlüssel ins Zündschloss steckte. »Vorausgesetzt, Sie haben nicht noch mehr Besorgungen zu machen.«
»Das habe ich in der Tat. Sie müssen als fsb-Offizier für mich noch eine letzte Verhaftung vornehmen.«
»Um wen geht es?«
Gabriel sagte es ihm.
»Kommt nicht infrage. Wie soll ich denn an all den Sicherheitsleuten vorbeikommen ?«
»Noch sind Sie Oberst im fsb, Grigorij. Und ein fsb-Oberst lässt sich von niemandem etwas gefallen.«
70 Moskau
Ein Oriongürtel von Lichtern leuchtete an der Nordseite des »House of Dogs«. Rote Lampen blinkten an den Funkmasten auf dem Dach. Gabriel saß am Steuer von Oberst Grigorij Bulganows Dienstwagen. Elena saß neben ihm und hielt Bulganows Handy in der Hand. Der Oberst war nicht da. Er war im elften Stock, um Olga Suchowa zu verhaften, die kritische Journalistin von der einst kritischen
Moskowskij Gaseta.
»Glauben Sie, dass sie kommt?«, fragte Elena.
»Sie wird kommen«, antwortete Gabriel. »Sie hat gar keine andere Wahl. Sie weiß, dass Ihr Mann sie umbringen lassen wird, sobald sie einen Fuß vor die Tür setzt.«
Elena fasste zu ihm herüber und betastete den Verband über seinem rechten Auge. »Besser hab ich's nicht hingekriegt. Die Wunde muss genäht werden. Und das wird wahrscheinlich nicht reichen. Ich glaube, der brutale Kerl hat Ihnen was gebrochen.«
»Ich bin mir sicher, dass er seine Tat bereut hat, als er die Waffe in meiner Hand gesehen hat.«
»Ich glaube kaum, dass er sie gesehen hat.« Sie berührte seine Hand. »Wo haben Sie das gelernt?«
»Leider hatte ich sehr viel Übung.«
»Darf ich Ihnen ein Geständnis machen?«
»Natürlich.«
»Ich bin froh, dass Sie sie getötet haben. Ich weiß, es muss schrecklich klingen,
Weitere Kostenlose Bücher