Das Moskau-Komplott
Belvedere hinauf. Sie gelangten über den Cortile di San Damaso in den Apostolischen Palast und stiegen in einen wartenden Aufzug, der sie langsam in den dritten Stock hinauftrug. Monsignore Luigi Donati, Privatsekretär Seiner Heiligkeit Papst Pauls VII., wartete in der freskengeschmückten Loggia. Er war einen halben Kopf größer als Gabriel und mit dem blendenden Aussehen eines dunkelhaarigen italienischen Filmstars gesegnet. Die maßgeschneiderte schwarze Soutane fiel elegant an seiner schlanken Gestalt herunter, und seine goldene Armbanduhr blitzte im gedämpften Licht auf, als er den jungen Priester mit einem knappen Wink verscheuchte.
»Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass Sie in
meiner
Basilika einen Menschen umgebracht haben«, murmelte Donati, nachdem der Priester im Dunkel verschwunden war.
»Ich habe niemanden getötet, Luigi.«
Der Monsignore runzelte die Stirn, dann reichte er Gabriel eine Aktenmappe mit dem Dienstsiegel der Vigilanza. Gabriel hob den Deckel und erblickte sich selbst, wie er den sterbenden Boris Ostrowskij in den Armen hielt. Darunter lagen andere Fotos von ihm: wie er sich davonstahl, als eine Menge Schaulustiger zusammenströmte, wie er aus der Tür des Filarete schlüpfte, wie er zusammen mit Eli Lavon über den Petersplatz hastete. Er schloss die Mappe und streckte sie Donati hin wie einen Klingelbeutel.
»Die können Sie behalten, Gabriel. Betrachten Sie sie als eine Erinnerung an Ihren Besuch im Vatikan.«
»Ich nehme an, die Vigilanza hat Abzüge?«
Donati nickte.
»Ich wäre Ihnen bis in alle Ewigkeit verbunden, wenn Sie so freundlich wären, den nächstbesten päpstlichen Reißwolf damit zu füttern.«
»Das werde ich«, erwiderte Donati frostig. »Sowie Sie mir alles erzählt haben, was Sie über den Vorfall heute Nachmittag wissen.«
»Eigentlich weiß ich sehr wenig.«
»Dann fangen wir doch mit einer einfachen Frage an. Zum Beispiel damit, was in Gottes Namen Sie dort gemacht haben.«
Donati klaubte eine Zigarette aus seinem eleganten goldenen Etui, klopfte mit ihr ungeduldig auf den Deckel und zündete sie mit einem goldenen Feuerzeug an. Sein Auftreten hatte wenig von einem Geistlichen, und nicht zum ersten Mal musste sich Gabriel in Erinnerung rufen, dass der groß gewachsene Mann, der da in einer Soutane vor ihm stand, tatsächlich Priester war. Von kompromissloser Intelligenz und berüchtigt für seine Zornausbrüche, gehörte Donati zu den mächtigsten Privatsekretären in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche. Er leitete den Vatikan wie ein Regierungschef oder der Vorstandsvorsitzende eines Global-500-Unternehmens, und mit diesem Führungsstil hatte er sich hinter den Vatikanmauern wenig Freunde gemacht. Das vatikanische Pressekorps bezeichnete ihn als klerikalen Rasputin, die wahre Macht hinter dem päpstlichen Thron, während die Legion seiner Feinde in der römischen Kurie ihn häufig als den »schwarzen Papst« titulierte, eine wenig schmeichelhafte Anspielung auf seine jesuitische Vergangenheit. Ihre Abneigung gegen Donati hatte sich im vergangenen Jahr allerdings ein wenig gemildert. Schließlich konnten nur wenige Männer von sich behaupten, sie hätten sich in die Schussbahn einer Kugel geworfen, die für den Heiligen Vater bestimmt war.
»Monsignore Donati«, sagte Gabriel im Tonfall eines Juristen, »es dürfte in Ihrem Interesse liegen, die Enthüllung bestimmter Fakten bezüglich der Begleitumstände von Ostrowskijs Tod auf ein gewisses Maß zu beschränken. Sonst könnten Sie in Verlegenheit geraten, wenn die Ermittler Fragen zu stellen beginnen.«
»Ich bin schon mit ganz anderen Situationen fertig geworden.« Donati blies Rauch zu der hohen Decke und sah Gabriel von der Seite an. »Wir beide. Sagen Sie mir einfach alles, was Sie wissen, und lassen Sie es meine Sorge sein, was ich den Ermittlern antworte.«
»Meine letzte Beichte liegt schon einige Zeit zurück, Luigi.«
»Versuchen Sie es«, sagte Donati. »Es erleichtert die Seele.«
Gabriel mochte ernste Zweifel am Nutzen der Beichte haben, aber was Luigis Vertrauenswürdigkeit anging, hatte er keine. Ihr Bund war im Geheimen geschmiedet und mit Blut getränkt worden, teils mit ihrem eigenen. Der ehemalige Jesuit konnte ein Geheimnis bewahren. Zudem verstand er sich darauf, gelegentlich die Unwahrheit zu sagen, solange es einer guten Sache diente. Und so erzählte ihm Gabriel, während sie durch die stillen Flure des Apostolischen Palastes wandelten, alles, von seinem Ruf nach
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