Das Moskau-Komplott
Assisi bis zu Ostrowskijs Tod.
»Muss ich Sie daran erinnern, dass wir eine Abmachung haben? Wir haben die italienischen Behörden gebeten, Ihnen den Aufenthalt im Land unter einer falschen Identität zu gestatten. Wir haben Ihnen Arbeit und Unterkunft gegeben - eine sehr angenehme Unterkunft, möchte ich hinzufügen. Als Gegenleistung haben wir lediglich verlangt, dass Sie jedwede Tätigkeit für Ihren früheren Brötchengeber unterlassen.«
Gabriel antwortete darauf mit einer uninspirierten Version von Navots Rechtfertigung - nämlich dass es eigentlich keine operative Arbeit, sondern nur ein Gespräch gewesen sei. Donati tat sie mit einer Handbewegung ab.
»Sie haben uns Ihr Wort gegeben, und Sie haben es gebrochen.«
»Wir hatten keine Wahl. Ostrowskij wollte ausdrücklich nur mit mir sprechen.«
»Dann hätten Sie sich woanders mit ihm treffen müssen, und nicht ausgerechnet in meiner Basilika. Sie haben uns womöglich einen Skandal beschert, den wir im Moment nun absolut nicht gebrauchen können.«
»Die unangenehmen Fragen wird man Moskau stellen, nicht dem Vatikan.«
»Hoffen wir, dass Sie recht haben. Ich bin natürlich kein Experte, aber allem Anschein nach ist Ostrowskij vergiftet worden.« Donati hielt inne. »Und zwar von jemandem, der offensichtlich nicht wollte, dass er mit Ihnen redet.«
»Ganz meine Meinung.«
»Weil er Russe ist und weil solche Dinge bei den Russen eine gewisse Tradition haben, wird man zwangsläufig Spekulationen über eine Verwicklung des Kremls anstellen.«
»Es hat schon angefangen, Luigi. Eine Meute Reporter hat am Rand des Petersplatzes Stellung bezogen und tut genau das.«
»Und was glauben Sie?«
»Ostrowskij sagte, er habe Angst vor den
silowiki.
So nennt man in Russland die Clique ehemaliger KGB-Leute, die im Kreml einen neuen Laden aufgemacht haben. Außerdem hat er behauptet, dass die in seinem Besitz befindlichen Informationen sich auf eine ernste Bedrohung des Westens und Israels beziehen.«
»Was für eine Bedrohung?«
»Das konnte er uns nicht mehr sagen.«
Donati verschränkte nachdenklich die Hände hinter dem Rücken und senkte den Blick auf den Marmorfußboden.
»Vorläufig ist Ostrowskijs Tod noch ein Fall für die Polizei und die Sicherheitsdienste des Vatikans, aber dabei wird es wahrscheinlich nicht bleiben. Ich gehe davon aus, dass man uns schon bald nahelegen wird, den italienischen Behörden bei den Ermittlungen den Vortritt zu lassen. Zum Glück ist Mord im Vatikan nicht an der Tagesordnung - außer natürlich, Sie kommen in die Stadt. Wir verfügen einfach nicht über die fachliche Kompetenz für eine so anspruchsvolle Untersuchung, insbesondere wenn komplizierte Gifte mit im Spiel sind.«
»Wann werden Sie den Fall an die Italiener abgeben müssen?«
»Ich könnte mir denken, dass das Ersuchen morgen auf meinem Schreibtisch liegt. Wenn wir ablehnen, wird man uns vorwerfen, etwas vertuschen zu wollen. Die Presse wird wilde Spekulationen über finstere Kräfte anstellen, die hinter den Mauern des Vatikans am Werk seien. Womit wir wieder bei den Fotos wären, die zum Zeitpunkt von Ostrowskijs Tod in der Basilika von Ihnen gemacht wurden.«
»Was ist damit?«
»Die Abzüge im päpstlichen Reiß wolf zu versenken ist nur eine vorläufige Lösung. Wie Sie sich denken können, werden die Bilder dauerhaft im Gedächtnis unserer Computer gespeichert. Und denken Sie nicht einmal daran, mich darum zu bitten, sie zu löschen. Ich werde mich nicht an einer Vernichtung von Beweismitteln beteiligen - nicht, wenn die Italiener kurz davor stehen, den Fall zu übernehmen.«
»Auf diesen Fotos wird mich niemand erkennen, Luigi. Die Italiener könnten nur auf einem Weg erfahren, dass ich hier war.«
»Seien Sie unbesorgt, Gabriel. Ihr Geheimnis ist bei uns gut aufgehoben. Drei Leute wissen von Ihrer Verwicklung: der Heilige Vater, meine Wenigkeit und der Beamte der Vigilanza, der unsere Untersuchung leitet. Ich habe ihn zur Verschwiegenheit verpflichtet, und er hat gelobt, den Mund zu halten. Er ist das, was wir Italiener einen
uomo di fiducia
nennen: ein vertrauenswürdiger Mann. Er war früher bei der Polizia di Stato.«
»Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich kurz mit ihm sprechen, Luigi.«
»Worüber?«
»Es wäre möglich, dass die Überwachungskameras in der Kirche jemand anderen als mich eingefangen haben.« »Wen denn?«
»Natürlich den Mann, der Boris Ostrowskij ermordet hat.«
9 Vatikanstadt
Gabriel fand die
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