Das Moskau-Komplott
und andere nutzlose Dinge. Ich habe mir sagen lassen, dass Natan auch ganz gut mit einem Pinsel umgehen kann.«
»Er war noch nie in Russland?«
»Nein, aber das wird sich bald ändern.« Navot nahm die Füße vom Tisch und setzte sich auf. »Heute in sechs Tagen soll der stellvertretende Minister von Jerusalem aus zu einem offiziellen Besuch nach Russland reisen. Wir konnten ihn dazu bewegen, dass er in letzter Minute krank wird.«
»Und Natan Golani wird an seiner Stelle reisen?«
»Vorausgesetzt, die Russen stellen ihm ein Visum aus. Aber das Ministerium rechnet diesbezüglich nicht mit Schwierigkeiten.«
»Was ist der Zweck der Reise?«
Navot fasste in seinen Diplomatenkoffer aus Edelstahl und förderte eine Hochglanzbroschüre im Zeitschriftenformat zutage. Er hob sie in die Höhe, damit Gabriel den Umschlag sehen konnte, dann ließ er sie auf den Tisch fallen. Gabriels Augen blieben an einem Wort hängen: UNESCO.
»Vielleicht ist es dir entgangen, aber die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, kurz UNESCO genannt, hat das laufende Jahrzehnt zur > Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit zugunsten der Kinder der Welt< erklärt.«
»Du hast recht, Uzi. Irgendwie ist mir das entgangen.«
»Zur Förderung ihrer hehren Ziele hält sie alljährlich eine Konferenz ab, bei der eine Bestandsaufnahme gemacht und über neue Initiativen gesprochen wird. Die diesjährige Konferenz wird im Marmorpalast in St. Petersburg stattfinden.«
»Wie lange muss ich diesen Unsinn ertragen?«
»Drei Tage«, antwortete Navot. »Dein Vortrag ist für den zweiten Konferenztag angesetzt. Im Mittelpunkt deiner Ausführungen wird ein bahnbrechendes neues Programm stehen, das wir auf den Weg gebracht haben, um den Kulturaustausch zwischen Israelis und ihren arabischen Nachbarn zu verbessern. Man wird dich rundweg kritisieren und höchstwahrscheinlich als Unterdrücker und Besatzer anprangern. Allerdings werden viele Teilnehmer deine Rede gar nicht hören, weil sie nämlich wie üblich den Saal verlassen, sobald du das Rednerpodium erklimmst.«
»Das ist auch besser so, Uzi. Vor einer großen Menge zu sprechen war noch nie mein Fall. Was geschieht weiter?«
»Am Ende der Konferenz wird dich unser Botschafter in Russland, der zufällig ein alter Freund von dir ist, zu einem Besuch nach Moskau einladen. Wenn du das Glück hast, den Aeroflot-Flug zu überleben, wirst du im Hotel Savoy absteigen und dich am kulturellen Angebot der Hauptstadt erfreuen. Der wahre Zweck deines Besuchs ist jedoch die Kontaktaufnahme zu Olga Suchowa. Sie gehört zu den bekanntesten und umstrittensten investigativen Journalisten Russlands. Außerdem leitet sie als kommissarische Chefredakteurin die
Moskowskij Gaseta.
Wenn bei der
Gaseta
jemand weiß, warum Boris Ostrowskij nach Rom geflogen ist, dann sie.«
»Das bedeutet, dass sie wahrscheinlich rund um die Uhr vom FSB observiert wird. Und als israelischer Diplomat werde ich das auch.«
Der »Föderale Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation«, oder FSB, hatte die meisten Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit übernommen, für die einst der KGB zuständig gewesen war, darunter auch die Spionageabwehr. Zwar präsentierte sich der FSB nach außen hin gern als moderner europäischer Sicherheitsdienst, doch beschäftigte er vornehmlich ehemalige KGB-Angehörige und operierte sogar von der berüchtigten KGB-Zentrale am Lubjanka-Platz aus. Viele Russen machten sich nicht einmal die Mühe, ihn bei seinem neuen Namen zu nennen. Für sie war er immer noch der KGB.
»Natürlich«, sagte Navot, »werden wir uns etwas einfallen lassen müssen.«
»Was zum Beispiel?«, fragte Gabriel misstrauisch.
»Nichts Gefährlicheres als eine Dinnerparty. Unser Botschafter hat sich bereit erklärt, in der offiziellen Residenz einen kleinen Empfang zu geben, solange du in der Stadt bist. Während wir hier reden, wird die Gästeliste zusammengestellt. Es wird eine interessante Mischung aus russischen Journalisten, Künstlern und Oppositionellen. Selbstverständlich wird der Botschafter nach Kräften darauf hinwirken, dass Olga Suchowa zugegen sein wird.«
»Was stimmt dich so zuversichtlich, dass sie kommen wird? Eine Einladung zum Abendessen beim israelischen Botschafter steht nicht sonderlich hoch im Kurs, nicht einmal in Moskau.«
»Es sei denn, sie ist mit der Aussicht auf eine Exklusivstory verknüpft. Dann wird sie unwiderstehlich.«
»Was für
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