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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Schilde führen!«
    »Der alte George wittert überall Verschwörungen, Lillian.«
    »Und Sie tragen sich jetzt doch mit dem Gedanken, dieses schöne Bild an eine
Russin
zu verkaufen? Ihr armer Vater, möge er in Frieden ruhen, würde sich im Grab umdrehen.«
    »Ich brauche das Geld, Lillian.
Wir
brauchen das Geld.«
    Sie zupfte skeptisch an ihrem Schürzenband. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen glauben soll, Sir John. Ich glaube, in diesem Haus geht etwas Bedeutsames vor. Etwas Geheimes, so wie damals, als Ihr Vater noch am Leben war.«
    Boothby warf ihr über das Whiskyglas hinweg einen verschwörerischen Blick zu. »Die Russen kommen Punkt vier Uhr, Lillian.« Er machte eine Pause. »Wenn Sie dann lieber nicht hier sein möchten...«
    »Ich werde hier sein, Sir John«, sagte sie eilig.
    »Was ist mit dem alten George?«
    »Vielleicht sollten wir ihm den Nachmittag freigeben, Sir.«
    »Vielleicht sollten wir das.«
     

34 Havermore, Gloucestershire
    Die Luxuslimousinen passierten den verborgenen Kontrollpunkt an der Station Road um 15.45 Uhr: zwei sondergefertigte Mercedes-Benz S 65, die mit ihrer Panzerung und ihren dunkel getönten Scheiben aus kugelsicherem Glas tief und schwer auf der Straße lagen. Sie rasten auf der terrassenartigen High Street durch Chipping Camden, vorbei an den schmucken Geschäften und der alten Kalksteinkirche St. James, und brausten auf der Dyers Lane wieder aus dem Städtchen hinaus. Ein Ladenbesitzer stoppte die Zeit, die sie dafür brauchten. Mit sechzehn Sekunden war es der kürzeste Besuch in Chipping Camden seit Menschengedenken.
    Auf dem einst herrschaftlichen Anwesen namens Havermore deutete nichts darauf hin, dass jemand vom raschen Nahen der Wagen wusste. Mrs. Devlin war in der Küche, wo sie gegen Sir Johns ausdrückliche Anweisung letzte Hand an ein Blech frischer Scones mit Erdbeermarmelade und
dotted cream
legte. Sir John blieb ihre Unbotmäßigkeit freilich verborgen, denn er hatte sich in die Bibliothek zurückgezogen und dachte über ernste und gewichtige Fragen nach. Was die junge attraktive Frau anging, die ihnen unter dem Namen Sarah Crawford bekannt war, so stapfte sie gerade in grünen Gummistiefeln den Fußpfad von der East Meadow herauf, gefolgt von Punch und Judy, die ihr den Rücken deckten wie kleine, hellbraune Leibwächter.
    Nur auf dem Heuboden der baufälligen Scheune gab es Anzeichen dafür, dass bald etwas Außergewöhnliches geschehen würde. Vier Männer saßen dort vor einer Reihe von Bildschirmen und Lautsprechern. Zwei waren junge Techniker in schmuddliger Arbeitskleidung. Der dritte war eine groß gewachsene Respektsperson und sah aus wie einer Zeitschriftenwerbung entsprungen. Der vierte hatte kurzes, dunkles Haar und grau melierte Schläfen. Seine Augen waren auf das Videobild einer jungen Frau gerichtet, die in dem Kabuff neben dem Seiteneingang gerade aus ihren Gummistiefeln schlüpfte. Nachdem sie ein Paar praktische, schwarze Schuhe mit flachen Absätzen angezogen hatte, trat sie in die Küche, stippte verschmitzt einen Finger in Mrs. Devlins
dotted cream
und ging durch eine zweiflüglige Tür hinüber in die Eingangshalle. Dort blieb sie vor einem hohen Spiegel stehen, strich ihre weiße Bluse und ihre hellgelben Capri-Hosen glatt und rückte den Pullover zurecht, der mit scheinbarer Lässigkeit um ihre Schultern geknotet war. Sie trug nur einen Hauch von Rouge auf den Wangen und eine Katzenaugenbrille statt Kontaktlinsen.
Du darfst Elenas Schönheit keine Konkurrenz machen,
hatte ihr der Mann mit den grau melierten Schläfen eingeschärft.
Elena ist es nicht gewohnt, nur die zweite Geige zu spielen.
    Punkt 16.04 Uhr passierten die beiden gepanzerten Mercedes das Tor von Havermore und fuhren die lange Zufahrt herauf. Die Männer auf dem Heuboden sahen sie zuerst, dann Sir John, der am Bibliotheksfenster einen hervorragenden Überblick hatte. Sarah konnte die Wagen von der Vorhalle aus nicht sehen, doch zwei Sekunden später hörte sie, wie sie auf den geschotterten Hof rollten. Zwei kräftige Motoren verstummten, mehrere Autotüren klappten, und sechs junge Leibwächter stiegen aus, die Gesichter wie in Marmor gemeißelt. Die Männer auf dem Heuboden kannten ihre Namen. Die ersten drei waren Oleg, Jurij und Gennadij: Elena Charkowas ständige Begleiter. Die drei anderen waren Viktor, Wadim und Wasilij: »die VWs«, wie sie unter den Charkow-Beschattern in aller Welt hießen. Dass sie in Havermore aufkreuzten, war befremdlich, denn sie

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