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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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danke.«
    »Willst du sie nicht anrufen?«
    »Wen?«
    »Deine Mutter.«
    Iwan war in solchen Spielchen versiert und viel zu schnell für sie. Plötzlich hatte Elena das Gefühl, dass sie Zeit und Raum brauchte. Sie schlüpfte an ihm vorbei und trug das Handy zum Bett.
    »Was tust du denn?«
    Sie hielt das Handy hoch. »Meine Mutter anrufen.« »Aber du solltest längst angezogen sein. Wir treffen uns alle um halb eins am alten Hafen.«
    »Wozu?«, fragte sie scheinbar ahnungslos.
    »Wir wollen den Nachmittag auf dem Boot verbringen. Hab ich dir doch gestern gesagt.«
    »Entschuldige, Iwan. Das hatte ich fast vergessen.«
    »Wieso gehst du denn wieder ins Bett? Wir müssen in ein paar Minuten los.«
    »Wen hast du eingeladen?«
    Er rasselte ein paar Namen herunter, lauter Russen, lauter Männer.
    »Ich weiß nicht, ob ich dem heute gewachsen bin. Wenn es dir nichts ausmacht, bleibe ich bei den Kindern. Außerdem hast du mit deinen Freunden mehr Spaß, wenn ich nicht dabei bin.«
    Anstatt zu protestieren, blickte er auf seine goldene Armbanduhr, als wolle er feststellen, ob noch Zeit blieb, Jekatarina anzurufen. Elena widerstand dem Drang, ihm zu sagen, dass sie sehnsüchtig auf seinen Anruf warte.
    »Was willst du denn allein den ganzen Tag machen?«, erkundigte er sich beiläufig, als sei er an der Antwort nicht sonderlich interessiert.
    »Ich werde im Bett bleiben und Zeitung lesen. Und wenn ich mich einigermaßen fühle, gehe ich später mit den Kindern in die Stadt. Heute ist Markttag. Du weißt doch, wie gern die Kinder auf den Markt gehen.«
    Der Markt: Iwans Vorstellung von der Hölle auf Erden. Er unternahm einen letzten, halbherzigen Versuch, sie umzustimmen, bevor er sich in sein privates Badezimmer zurückzog, um sich zu rasieren und zu duschen. Zehn Minuten später eilte er, frisch angezogen und duftend, die Treppe hinunter. Elena schaltete, immer noch im Bett, den Fernseher an und zappte durch die Kanäle zu dem Bild, das die Kameras der CCTV-Überwachungsanlage vom vorderen Tor lieferten. Iwan rechnete offensichtlich mit einem gefährlichen Tag in den Gewässern vor der Cote d'Azur, denn er hatte das komplette Sicherheitspaket dabei: einen Fahrer und zwei Leibwächter bei sich im Wagen, dazu ein zweites Fahrzeug mit vier weiteren Männern. Elena erhaschte einen letzten Blick von ihm, als er in den Fond seiner Limousine stieg. Er sprach in sein Handy, und um seinen Mund spielte das Lächeln, das er für Jekatarina reserviert hatte.
    Sie schaltete den Fernseher aus und schwang, dieses letzte Bild seiner Treulosigkeit als Antrieb nutzend, die Beine aus dem Bett.
Hör jetzt nicht auf,
sagte sie sich.
Wenn du jetzt aufhörst, wirst du nie den Mut finden, wieder anzufangen. Und was du auch tust, schau dich nicht um. Du bist nie allein.
Diese letzten Worte waren nicht ihre eigenen. Sie stammten von dem Mann, den sie unter dem Namen Michail kannte. Dem Mann, der bald ihr Liebhaber werden sollte.
    Elena hörte seine mit leiser, aber fester Stimme gesprochenen Anweisungen, während sie die letzten banalen Schritte zum Verrat einleitete. Sie nahm ein Bad in ihrem Jacuzzi, der so groß wie ein Swimmingpool war, und sang dabei leise vor sich hin, was sie normalerweise nicht tat. Sie schminkte sich besonders sorgfältig und schien Mühe zu haben, eine Frisur zu finden, die ihr gefiel. Ihr Kleiderschrank war offenbar ein Quell ähnlicher Unschlüssigkeit, denn sie probierte und verwarf ein halbes Dutzend Outfits, ehe sie sich für ein einfaches, cremefarbenes Kleid von Dior entschied, das ihr Iwan bei seinem letzten Parisbesuch aus schlechtem Gewissen gekauft hatte. Die Kleider, die vor ihren Augen keine Gnade gefunden hatten, warf sie aufs Bett, wie Michail sie angewiesen hatte. Ein Indiz für romantische Unentschlossenheit hatte er das genannt. Einen sichtbaren Beweis für ihren Wunsch, sich für ihren Liebhaber schön zu machen.
    Schließlich, um ein Uhr, informierte sie Sonja und die Kinder, dass sie für ein paar Stunden in die Stadt fahren werde. Dann bestellte sie bei Oleg einen Wagen nebst Leibwächter-Team. Der Verkehr auf der Strecke nach Saint-Tropez war wie immer eine Katastrophe. Sie nutzte die Zeit, um ihre Mutter in Moskau anzurufen. Oleg, der neben ihr auf dem Rücksitz saß, machte kein Hehl daraus, dass er mithörte, und sie unternahm keinen Versuch, ihre Stimme zu dämpfen. Nach dem Gespräch schaltete sie das Handy aus und ließ es in ihre Handtasche gleiten. Als sie in der Avenue du Marechal aus

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