Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
roter Ausschlag zum Vorschein.
Dempsey ging neben dem kranken Mann in die Knie und betrachtete ihn genauer. Dann tastete er nach dem Puls, das Pochen unter seinen Fingerspitzen war rasch und unregelmäßig. Fluchend griff Dempsey nach seinem Funkgerät. »Sergeant, hier ist Dempsey! Ich brauche einen Arzt, und zwar schnell!«
16. FEBRUAR
Moskau
Die reich verzierten Zinnen und Türme des Kotelnitscheskaja-Apartmentgebäudes erhoben sich hoch über die Stadt; sie boten eine unvergleichliche Aussicht westwärts über die Moskwa auf die von goldenen Kuppeln und Zwiebeltürmen gekrönten roten Backsteinmauern des Kreml. Dutzende von Satellitenschüsseln sowie Radio- und Mikrowellenantennen ragten aus jeder einigermaßen freien Fläche an seiner kunstvollen Fassade. Der Kotelnitscheskaja-Komplex zählte zu Stalins klotzigen »Sieben Schwestern« – sieben kolossalen Hochhäusern, die in den 50er Jahren des vergangen Jahrhunderts in Moskau gebaut worden waren, um das zu beheben, was der zunehmend machtbesessene Diktator für einen im Vergleich mit den Vereinigten Staaten beschämenden »Hochhausmangel« hielt.
Einst als Heim für Funktionäre der Kommunistischen Partei und Bosse der Schwerindustrie gedacht, beherbergte das kolossale
Hochhaus inzwischen hauptsächlich wohlhabende Ausländer und Mitglieder der neuen russischen Regierungs- und Wirtschaftseliten – Leute, die es sich leisten konnten, Luxusapartments zu mieten, die mehrere tausend amerikanische Dollar im Monat kosteten. Für die höchsten Stockwerke, jene direkt unterhalb der herausragenden Spitze in der Mitte, die von einem gigantischen, goldglänzenden Stern geziert wurde, verlangte man Preise, die nur die Reichsten und Mächtigsten aufbringen konnten. Und um noch mehr Geld zu scheffeln, waren mehrere Wohnungen ganz oben zu prestigeträchtigen Bürokomplexen umgebaut worden.
In einer dieser renovierten Penthouse-Büroetagen stand ein großer, kräftig gebauter Mann an einem Fenster. Sein hellblondes Haar wurde von Strähnen durchzogen, die denselben Farbton hatten wie seine schiefergrauen Augen. Mit gerunzelter Stirn blickte er über die dunkle Stadt. Die lange Winternacht hielt Moskau noch in ihrem eisigen Griff, doch der Himmel über ihm hellte sich bereits ein wenig auf.
Plötzlich klingelte ein abhörsicheres Telefon auf dem Schreibtisch neben ihm. Eine digitale Anzeige am Telefon erwachte zum Leben und identifizierte den Anrufer. Der Mann drehte sich um und nahm den Hörer ab. »Hier Moskau-Eins. Sprechen Sie.«
»Hier ist Prag-Eins«, sagte eine gedämpfte, nasale Stimme. »Petrenko ist tot.«
Der blonde Mann lächelte. »Gut. Und was ist mit dem Material, das er aus dem Krankenhaus gestohlen hat? Den Krankengeschichten und Proben?«
»Die sind weg«, meldete Prag-Eins düster. »Sie steckten in einer Aktentasche, die mit Petrenko in den Fluss gefallen ist.«
»Dann ist der Fall erledigt.«
»Nicht ganz«, entgegnete der Anrufer gedehnt. »Ehe wir ihn erwischen konnten, hat Petrenko sich mit einem anderen Arzt getroffen, einem Amerikaner, der auch auf der Konferenz war. Sie unterhielten sich gerade, als wir sie stellten.«
»Und?«
»Der Amerikaner ist unserem Hinterhalt entkommen«, gestand Prag-Eins zögernd. »Die tschechische Polizei hält ihn fest.«
Der blonde Mann kniff die Augen zusammen. »Wie viel weiß er?«
Der Mann mit dem Codenamen Prag-Eins schluckte schwer. »Das kann ich nicht sagen. Wir glauben, dass es Petrenko gelungen ist, ihm vor unserem Eingreifen etwas von den Todesfällen zu erzählen. Wir sind ebenfalls ziemlich sicher, dass er ihm die Krankenakten und Proben übergeben wollte.«
Moskau-Eins schloss die Hand fester um den Hörer. »Und wer ist dieser Amerikaner, der uns in die Quere kommt?«, schnauzte er.
»Sein Name ist Jonathan Smith«, antwortete Prag-Eins. »Nach den Konferenzunterlagen ist er Militärarzt – Lieutenant Colonel – und einem ihrer medizinischen Forschungsinstitute als Seuchenspezialist zugeteilt.«
Smith? Der blonde Mann legte die Stirn in Falten. Er hatte den flüchtigen Eindruck, diesen Namen schon einmal gehört zu haben. Nur wo? Irgendwie schien er im Hinterkopf eine Alarmglocke läuten zu lassen. Ungeduldig schüttelte der Mann den Kopf. Er hatte Dringenderes zu erledigen. »Was macht die tschechische Polizei?«
»Sie suchen den Fluss ab.«
»Nach der Tasche?«
»Nein«, erwiderte Prag-Eins. »Wir haben einen Informanten im Polizeihauptquartier. Augenblicklich suchen sie
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