Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
nur nach Petrenkos Leiche. Aus irgendeinem Grund verrät der Amerikaner nicht, was man ihm gesagt hat.«
Der blonde Mann starrte aus dem Fenster. »Werden sie eins von beidem finden?«
»Der Leichnam wird früher oder später wieder auftauchen«, meinte Prag-Eins. »Aber die Aktentasche findet bestimmt niemand mehr. Die Moldau ist breit und hat eine starke Strömung.«
»Ich hoffe sehr, dass Sie Recht haben – um Ihretwillen«, sagte der blonde Mann leise.
»Was sollen wir mit diesem Smith machen?«, fragte Prag-Eins nach einer kurzen unangenehmen Pause. »Er könnte zu einem ernsten Problem werden.«
Der blonde Mann runzelte abermals die Stirn. Das stimmte leider. Den tschechischen Behörden mochte der amerikanische Arzt noch nicht erzählt haben, was er in Erfahrung gebracht hatte, doch über kurz oder lang würde er den Geheimdiensten seines Landes von Petrenkos Tod und seinen Anschuldigungen berichten. In dem Fall würden die CIA und andere Institutionen neuen Meldungen über weitere mysteriöse Krankheitsfälle sicher viel zu viel Aufmerksamkeit widmen. Und das war etwas, was er und seine Auftraggeber nicht riskieren konnten. Jedenfalls noch nicht.
Der Mann mit dem Codenamen Moskau-Eins fällte seine Entscheidung mit einem Kopfnicken. Es musste sein. Offen gegen diesen Smith vorzugehen konnte gefährlich werden. Wenn er verschwand oder starb, stellte die Prager Polizei höchstwahrscheinlich weitere unangenehme Nachforschungen zum Mord an Petrenko an und leitete die Ergebnisse an Washington weiter. Doch Smith am Leben zu lassen war unter Umständen noch gefährlicher. »Eliminieren Sie den Amerikaner, wenn irgend möglich«, befahl er kalt. »Aber seien Sie vorsichtig – und lassen Sie diesmal keine Zeugen am Leben.«
Kapitel drei
Prag
Der winzige Befragungsraum im hinteren Teil der Prager Polizeihauptwache an der Konviktská 14 war sparsam möbliert. Außer zwei abgenutzten Plastikstühlen gab es nur einen alten, verkratzten Holztisch voller Dellen und Brandflecken von den zahllosen Zigaretten, die achtlos darauf ausgedrückt worden waren. Auf einem der Stühle saß Jon Smith, ziemlich steif, in einer geborgten Hose und einem Sweatshirt. Bei der kleinsten Bewegung spürte er all seine schmerzenden Wunden und Prellungen.
Er runzelte die Stirn. Wie lange würden die tschechischen Behörden ihn dort noch festhalten? In dem kleinen Zimmer befand sich keine Uhr und seine Armbanduhr hatte den Sturz ins eisige Wasser der Moldau nicht überstanden. Smith schaute hoch. Das schwache Licht, das durch ein Fensterchen oben in einer Wand fiel, zeigte, dass es bereits Tag wurde.
Er verkniff sich ein Gähnen. Nachdem die tschechische Polizei ihn im Park am Flussufer aufgelesen hatte, hatte man seine Aussage über den hinterhältigen Angriff, bei dem Valentin Petrenko ums Leben gekommen war, zu Protokoll genommen und einen Arzt kommen lassen, der den Durchschuss in seiner Schulter versorgte. Währenddessen waren seine Habseligkeiten, einschließlich seiner Brieftasche, seines Reisepasses und seiner Hotelzimmerschlüssel, reichlich hastig in »Verwahrung« genommen worden. Bis dahin war es fast Mitternacht gewesen, und nachdem man ihm einen Teller Suppe gebracht hatte, war ihm »vorgeschlagen« worden, ein
Bett in einer der leeren Arrestzellen zu benutzen. Beim Gedanken an die lange, kalte und größtenteils schlaflos verbrachte Nacht grinste er säuerlich. Wenigstens hatten sie die Tür nicht abgeschlossen, um deutlich zu machen, dass er nicht direkt festgehalten wurde, sondern »den Behörden nur bei den nötigen Ermittlungen half«.
Irgendwo in der Nähe läuteten Glocken, wahrscheinlich die von St. Ursula, um die Gläubigen zur Frühmesse und die Kinder zum Unterricht in der angegliederten Klosterschule zu rufen. Wie auf ein Stichwort öffnete sich die Tür und herein kam ein schlanker Polizeibeamter mit hellen Augen. Er trug eine tadellos gebügelte Uniform. An der hellgrauen Hose, dem blauen Hemd, der sorgfältig gebundenen schwarzen Krawatte und dem dunkelgrauen Jackett konnte man erkennen, dass er zur Prager Stadtpolizei gehörte – der mächtigeren der beiden konkurrierenden Behörden, die in der tschechischen Hauptstadt als Gesetzeshüter fungierten. Das Schild an seiner Jacke wies ihn als Inspektor Tomas Karasek aus. Er ließ sich lässig auf dem Stuhl nieder, der Smith direkt gegenüberstand.
»Guten Morgen, Colonel«, sagte der Polizeibeamte nonchalant in klarem, deutlichem Englisch. Dann schob er
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