Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
einem Stück?«
»Sieht so aus«, antwortete er, ohne sich die Mühe zu machen, die Erleichterung in seiner Stimme zu verbergen. Er bemerkte eine schnelle Bewegung zwischen den Bäumen am Abhang über ihnen und setzte sich gerader hin. Kurz darauf erspähte er einen großen Mann mit schlohweißen Haaren, der mit einem Dragunov-SVD-Gewehr locker im Arm und einem breiten Grinsen in seinem hakennasigen römischen Gesicht über den kleinen Abhang auf sie zukam.
Vollkommen ungläubig sah Jon ihm entgegen. Der Mann dort musste eigentlich tot sein. Es war niemand anders als Oleg Kirow.
»Wie zum Teufel …?«, fragte er, als Kirow näherkam.
Statt einer Antwort öffnete der Russe seinen zerfetzten Wintermantel. Darunter kam eine dicke schwarze Weste zum Vorschein. Sie war zerdellt und voller Flecken, die nach geschmolzenem Kupfer aussahen. Kirow tätschelte sie liebevoll. »Eine Panzerweste aus England, Jon«, sagte er zufrieden. »Eine der besten, die es auf der Welt gibt.«
»Die Sie zufällig gestern Abend trugen?«
Kirow zuckte die Schultern. »Ehe ich Agent wurde, war ich Soldat. Und welcher vernünftige Soldat würde wohl ohne passende Ausrüstung Wache schieben?« Wieder grinste er. »Alte Gewohnheiten wird man nicht so leicht los, mein Freund, und alte Soldaten noch viel weniger.«
Kapitel dreiundvierzig
Ländliches Maryland
Zehn Minuten nachdem er von der Ringstraße abgebogen war, die Washington, D. C., umschloss, warf Nikolai Nimerowski einen Blick auf den Kilometerzähler seines Mietwagens und kontrollierte, wie weit er mit dem unauffälligen weißen Ford Taurus gefahren war. Fünf Meilen. Er näherte sich seinem Ziel. Er blickte auf und richtete den Blick wieder auf die schmale Landstraße, die sich vor ihm erstreckte.
Die Scheinwerfer des Wagens glitten über den dichten Baumbestand und das undurchdringliche Unterholz zu beiden Seiten der Straße. Rechts tauchte ein kleines Schild aus der Dunkelheit auf, es markierte eine Abzweigung, die sich laut Karte tiefer in den Naturpark hineinschlängelte und schließlich nach einigen Meilen in einer Neubausiedlung endete.
Er fuhr an den Straßenrand und stieg aus, in der Hand hielt er die Aktentasche, die er aus Zürich geholt hatte. Nach der Beschreibung aus Moskau war der tote Briefkasten leicht zu finden. Es handelte sich um einen hohlen Baum ganz in der Nähe des Schildes. Schnell schob er die Tasche in den Baumstumpf, vergewisserte sich, dass sie von der Straße aus nicht zu sehen war, und ging gelassen zum Auto zurück.
Unterwegs gab er eine örtliche Nummer in sein Handy ein. Es klingelte dreimal, ehe abgenommen wurde.
»Ja?«, schnauzte jemand, offensichtlich verärgert, so früh am Morgen geweckt zu werden.
»Spreche ich mit Familie Miller unter 555-8705?«, fragte Nimerowski sanft.
»Nein«, erwiderte die Stimme gereizt. »Sie haben sich verwählt.«
»Oh, das tut mir leid«, sagte Nimerowski. »Entschuldigen Sie.«
Die Person am anderen Ende legte abrupt auf.
Lächelnd stieg der Agent der 13. Abteilung wieder in seinen Mietwagen und fuhr davon. Sein Auftrag war ausgeführt. Er hatte die HYDRA-Variante geliefert.
Berlin
Plötzlich stieß Curt Bennett wilde Flüche aus. Er beugte sich vor, starrte noch angestrengter als sonst auf seinen Computerbildschirm und ließ die Finger über die Tastatur auf seinem Schoß fliegen.
Randi, die am anderen Ende des langen Konferenztisches saß, schaute auf und zog überrascht die Augenbrauen hoch. Der CIA-Technikexperte neigte normalerweise nicht zu Wutausbrüchen. »Ärger?«, fragte sie.
»Und ob«, bestätigte Bennett knapp. »Das Netzwerk, das wir untersuchen, wird abgeschaltet.«
Eilig kam Randi zu ihm herüber. »Was heißt abgeschaltet?«
»Es verschwindet einfach«, erklärte Bennett ihr mit einer Kopfbewegung zum Bildschirm hin. Die meisten Handynummern, die er zuordnen wollte, blinkten rot, was anzeigte, dass sie nicht mehr registriert waren. Unter Randis Augen wurden auch alle anderen Nummern rot.
»Professor Renke und seine Freunde ziehen den Stecker«, erkannte Randi.
»Nicht nur das«, sagte Bennett. Er drückte eine Taste und rief ein neues Programm auf. Diesmal zeigte der Bildschirm lange
Spalten mit Informationen – Tag, Uhrzeit und Ort – aufgeschlüsselt nach verschiedenen Telefonnummern. Eine nach der anderen verschwanden sie im Äther. »Sie löschen auch jeden Anruf aus den Archiven, der je an diese Nummern ging oder von ihnen getätigt wurde.«
Randi pfiff leise durch
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