Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
verlassenen Eindruck.
»Hier ist einmal der Teufel erschienen, wissen Sie das?«, fragte eine helle Frauenstimme von hinten.
Smith wandte den Kopf.
Fiona Devin stand ganz in der Nähe, eingerahmt von zwei blattlosen Linden. Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet und auf ihrem dunklen Haar trug sie eine raffinierte Pelzmütze. Sie kam auf ihn zu.
»Der Teufel?«, fragte Smith. »Leibhaftig oder im Märchen?«
Ihre blaugrünen Augen funkelten schelmisch. »Nur in einem Roman. Hofft man zumindest.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf den Teich. »Der Schriftsteller Michail Bulgakow hat die erste Szene seines Klassikers Der Meister und Margarita hier angesiedelt. Darin taucht der Teufel selbst an dieser Stelle auf, um einen kleinen Streifzug durch das atheistische Moskau der Stalin-Ära zu unternehmen.«
Smith fröstelte plötzlich, wegen der Kälte, die das Futter seines schwarzen Wollmantels durchdrang – hoffte er jedenfalls. »Na, das macht den Platz ja zu einem großartigen Ort für ein Rendezvous«, sagte er mit einem kurzen Grinsen. »Kalt, öde und höllisch gefährlich. Die perfekte russische Troika. Fehlt nur noch ein Schlitten und ein Rudel heulender Wölfe, das uns verfolgt.«
Fiona kicherte. »Melancholie gepaart mit Galgenhumor, Colonel? Anscheinend passen Sie besser hierher, als ich dachte.« Fiona kam noch näher und stellte sich neben ihn, an den Rand des schneebedeckten Pflasters. Sie reichte ihm bis zur Schulter. »Meine Leute haben die Liste der Ärzte und Wissenschaftler abgearbeitet, die Sie mir gegeben haben«, flüsterte sie abrupt. »Jetzt kann ich Ihnen sagen, wie Sie weiter vorgehen sollen.«
Überrascht stieß Smith einen leisen Pfiff aus. »Und?«
»Die sicherste und beste Wahl ist Dr. Elena Wedenskaja«, sagte Fiona nachdrücklich.
Smith nickte langsam. Neben Petrenko hatte er auch Dr. Wedenskaja in den letzten Jahren bei verschiedenen Ärztekongressen getroffen. Er erinnerte sich vage an eine ziemlich unscheinbare, spröde Frau Anfang fünfzig – eine Frau, deren Können, Engagement und Kompetenz sie bis an die Spitze eines von Männern dominierten Berufsstandes gebracht hatten. Dr. Wedenskaja leitete die Abteilung für Zytologie, Genetik und Molekularbiologie am Zentralen Forschungsinstitut für Epidemiologie. Da es sich dabei um eines der führenden russischen Institute zur Erforschung von Infektionskrankheiten handelte, war sie mit Sicherheit zu Rate gezogen worden, als man versuchte, die mysteriöse Krankheit zu bestimmen, deren Ursprung sie jetzt zurückverfolgten.
»Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass Sie glauben, ich könne ihr vertrauen?«, fragte er.
»Und ob«, erwiderte Fiona. »Dr. Wedenskaja kämpft schon seit langem für Demokratie und politische Reformen«, sagte sie leise. »Das reicht weit zurück bis in ihre Studentenzeit, als Breschnjew und die anderen Bonzen der Kommunistischen Partei noch die Herren im Kreml waren.«
Smith sah Fiona durchdringend an. »Dann muss es ein ellenlanges KGB/FSB-Sicherheitsdossier über sie geben. Falls der Kreml ein Auge auf verdächtige Wissenschaftler hat, wird sie ganz oben auf der Überwachungsliste stehen.«
»Würde sie«, gab Fiona zu. Dann zuckte sie die Achseln. »Doch glücklicherweise hat ihr Dossier mit der Realität nicht mehr viel zu tun. Soweit dem FSB heute bekannt ist, handelt es sich bei Elena Wedenskaja um eine überaus vertrauenswürdige und unpolitische Staatsdienerin.«
Smith lüpfte eine Braue. »Jemand hat ihr Dossier bereinigt? Würden Sie mir vielleicht verraten, wie Sie dieses kleine Wunder vollbracht haben?«
»Tut mir leid, aber das könnte ich Ihnen nur verraten, wenn Sie es unbedingt wissen müssten, Colonel«, beschied Fiona ihn gelassen. »Und das ist nicht der Fall. Aus sehr naheliegenden Gründen.«
Nickend akzeptierte Smith den milden Rüffel. »Na gut«, sagte er. »Wie soll ich sie Ihrer Meinung nach kontaktieren? Über das Institut?«
»Ganz sicher nicht«, entgegnete Fiona. »Höchstwahrscheinlich werden alle Festnetzgespräche der Moskauer Krankenhäuser und Forschungseinrichtungen abgehört.« Sie reichte ihm einen kleinen Zettel mit einer zehnstelligen Nummer, die in einer sauberen, femininen Handschrift notiert war. »Zufällig besitzt Dr. Wedenskaja ein nicht registriertes Handy.«
»Ich rufe sie gleich heute Nachmittag an«, beschloss Smith. »Und versuche, mich für den Abend mit ihr zum Essen zu verabreden, in einem Restaurant, das weit von ihrem Labor
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