Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
auf dem anderen nieder. »Möchten Sie vorab vielleicht etwas Tee?«, fragte er. »Es ist immer noch ziemlich kalt draußen, habe ich mir zumindest sagen lassen. Ich bin heute Morgen sehr früh gekommen – genau genommen schon vor einigen Stunden. Leider folgen die Finanzmärkte der Welt heutzutage einem unglückseligen Zeitplan.«
»Ja, danke sehr. Tee wäre wunderbar«, antwortete Fiona, ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr die kaum verhohlene Koketterie mit den langen Arbeitszeiten sie erheiterte.
Beinahe umgehend trug eine weitere Sekretärin ein Tablett herein, auf dem ein Samowar aus Sterlingsilber, zwei durchsichtige hohe Gläser und zwei Kristallschalen standen, eine davon mit frischen Zitronenscheiben gefüllt, die andere mit einem Schlag Marmelade zum Süßen des starken Tees. Die Frau schenkte ihnen ein und zog sich dann ohne ein Wort eilig wieder zurück.
»Nun also zum Geschäftlichen, Ms. Devin«, sagte Malkowitsch freundlich, nachdem sie beide einige vorsichtige Schlucke von dem dampfenden Tee getrunken hatten. »Meine Mitarbeiter haben
mir gesagt, dass Sie besonders an den Möglichkeiten interessiert sind, die ich mit meinen Unternehmen hier im neuen Russland für mich sehe.«
Fiona nickte. »Ganz richtig, Mr. Malkowitsch«, antwortete sie, indem sie ihre gewohnte Rolle annahm, die der Journalistin auf der Suche nach einer guten Story. Das fiel ihr nicht schwer. In den letzten Jahren hatte sie sich einen wohlverdienten Ruf als talentierte, äußerst kritische Reporterin erarbeitet. Ihr Spezialgebiet war die Beschreibung und Erklärung der oftmals komplizierten Wechselwirkungen zwischen der russischen Politik und der Wirtschaft. Ihre Artikel erschienen regelmäßig weltweit in führenden Zeitungen und Wirtschaftsjournalen. Dieses Interview zu führen – mit dem größten und einflussreichsten Privatinvestor der russischen Industrie –, war für sie etwas ganz Natürliches, nur dass sie diesmal den Hintergedanken hatte, den Milliardär als Hilfsmittel zu benutzen, um für Covert-One die Geheimnisse der staatlichen Gesundheitsbehörden zu lüften.
Außerdem war Malkowitsch – zumindest oberflächlich betrachtet – ein einfacher Interviewpartner. Stets charmant und offensichtlich völlig entspannt beantwortete er ihre Fragen bezüglich seiner Geschäfte und Pläne bereitwillig und ohne große Ausflüchte, nur einigen wenigen Nachfragen, die selbst ihr zu privat erschienen oder für Wettbewerber nützliche Firmengeheimnisse enthüllt hätten, wich er aus.
Trotzdem spürte Fiona, dass der Milliardär nichts dem Zufall überließ. Er wählte seine Worte mit Bedacht, offenbar fest entschlossen, die Art, wie sie ihn sah, und die Art, wie er den Lesern erschien, wenn dieses Interview veröffentlicht wurde, selbst zu bestimmen. Innerlich zuckte sie die Achseln. Es war immer das gleiche Spiel, die ewige Gratwanderung der Journalisten – insbesondere der freiberuflichen Journalisten, die ohne die Rückendeckung einer führenden Tageszeitung, Zeitschrift oder Fernsehanstalt auskommen mussten. Stellte man zu viele bohrende Fragen, lehnten
die Interviewpartner weitere Gespräche ab. Stellte man zu wenige, schrieb man am Ende Lobhudeleien, die auch jeder zweitrangigen Werbefirma eingefallen wären.
Langsam und bedächtig lenkte Fiona die Unterhaltung auf das Thema Politik, ehe sie vorsichtig die zunehmende Eigenmächtigkeit der Dudarew-Regierung ansprach. »Welche Risiken eine Willkürherrschaft für die Anleger, insbesondere für einen ausländischen Investor mit sich bringt, ist Ihnen doch sicher bekannt?«, sagte sie schließlich. »Ich meine, Sie haben ja gesehen, was mit den Besitzern des Jukos-Ölkartells geschehen ist – einige kamen ins Gefängnis, der Rest fiel in Ungnade, und die Besitztümer mussten verkauft werden. Jeder Dollar oder Euro, den Sie hier investieren, könnte von einer Sekunde zur andern durch eine Kreml-Order kassiert werden. Wenn eine Minderheit nach Lust und Laune Gesetze und Vorschriften erlässt oder streicht, wie kann man da vernünftig die Zukunft planen?«
Malkowitsch zuckte übertrieben die Achseln. »Jedes Geschäft beinhaltet ein gewisses Risiko, Ms. Devin«, erklärte er leutselig. »Das weiß ich nur zu gut, glauben Sie mir. Doch ich bin ein Mann, der langfristig plant, über die kleinen Unwägbarkeiten des Alltags hinaus. Trotz seiner zahlreichen Fehler bleibt Russland ein Land mit großen Möglichkeiten. Als der Kommunismus zusammenbrach, hat sich diese
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