Das Motel
von Healesville verschrien.«
Die Bemerkung traf sie wie ein Stich. Sie wusste, dass Jason nur Spaß machte, aber dennoch spürte sie, dass dieses Etikett nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt war. In Gedanken hatte sie sich schon oft selbst so genannt. Aber als sie es nun jemand anders sagen hörte, ja, da hasste sie sich selbst.
Jason musste ihren plötzlich sehr verzweifelten Gesichtsausdruck bemerkt haben.
»Es tut mir leid, Madge. Das war ziemlich geschmacklos. Du bist nicht … na ja … nicht so eine.« Er setzte sich auf und legte seine Hände auf ihre Schultern. »Du bist ein wundervoller Mensch. Ich weiß, dass du Jack sehr liebst.«
»Ja, ich liebe ihn so sehr, dass ich hinter seinem Rücken den Sohn vögele, den er nie hatte. Ich bin eine richtige Vorzeigeehefrau. Es ist schon okay. Ehrlich.« Sie drehte sich um und tätschelte seine Stirn. »Wir sehen uns …«
Er packte sie, warf sie aufs Bett, presste seinen Mund auf ihren und tauchte seine Zunge ganz tief hinein. Sie konnte den unverkennbaren Geschmack ihres eigenen herben Saftes noch immer ganz vage schmecken und auch wenn sie ihn durchaus nicht als unangenehm empfand, zog sie sich zurück. »Es tut mir leid, Jason. Ich bin nicht in der Stimmung.« Sie schnaubte. »Scheiße, ich klinge schon wie eine frigide Nonne.«
Jason nickte. Auf seinem noch immer sehr hübschen Gesicht lag ein niedergeschlagener Ausdruck. »Es ist meine Schuld.«
Madge schnappte sich ihre Handtasche und stand auf. »Lass uns die letzten fünf Minuten einfach vergessen. Tun wir so, als hätten wir gerade Sex gehabt. Bleibt’s dabei, dass du morgen Abend zum Essen kommst?«
Er nickte.
»Dann sehen wir uns morgen.«
»Kommt Wilkes auch?«
»Ja. Aber mach dir keine Sorgen. Kein Grund, eifersüchtig zu sein. Er ist nicht mein Typ.« Sie lächelte.
Jason lächelte zurück. »Wir sehen uns morgen, Liebling.«
Sie drehte sich um und ging zur Wohnungstür. Als sie hinaustrat, hörte sie Jasons Telefon klingeln.
KAPITEL 41
Als sie nach Hause fuhr, schwirrte ihr vor lauter widersprüchlichen Gefühlen der Kopf. Ein Teil von ihr wollte Jason auch weiterhin sehen. Sie liebte den sexuellen Akt und das Gefühl, das er ihr gab. Es war Hedonismus in höchster Potenz. Ein anderer Teil von ihr, der, der es hasste als Hure betrachtet zu werden, wollte die ganze Sache beenden. Aber dieser Teil war der selbstsüchtige Teil, denn sie wollte zwar noch immer mit Jason zusammen sein, wollte noch immer ihren Mann betrügen, aber nicht, wenn sie dafür den erniedrigenden Preis zahlen musste, eine Hure genannt zu werden. Eigentlich scherte Madge sich nicht darum, was andere Leute über sie dachten, aber auch für sie gab es Grenzen. Immerhin hatte sie auch Gefühle. Und dennoch gab es da die andere Konstante in ihr, der Teil, der ständig an ihr nagte: Schuld. Schlicht und einfach wegen ihres Mannes. Denn es war nicht der Mangel an Liebe, Unterstützung oder Kameradschaft, der sie in die Untreue getrieben hatte. Es war einfach nur Sex.
Und deshalb war seit zehn Jahren, seit sie Jason zum ersten Mal getroffen hatte, keine einzige Minute vergangen, in der sie sich nicht schuldig dafür gefühlt hatte, dass sie Jack betrog. Egal, ob es in Gedanken oder mit Taten geschah, die Schuld, ihr schlechtes Gewissen, war stets ihr aufdringlicher Begleiter.
Als sie zu Hause eintraf, war sie noch immer zu keinem Schluss gekommen.
Jason treffen oder nicht treffen?, dachte sie. Das war hier, in der Tat, die Frage.
Als sie die Einfahrt hinauffuhr, legte sich ein Stirnrunzeln über ihr ohnehin schon säuerliches Gesicht.
Wer zur Hölle ist das denn?, fragte sie sich.
Die Gestalt erhob sich, als die Scheinwerfer über ihre dunklen Umrisse schweiften. Die Person blieb auf der Verandatreppe stehen, während Madge erst die Scheinwerfer und dann den Motor ausmachte. Sie sprang aus dem Wagen. »Hallo«, rief sie. »Wer ist denn da?« Sie war eine kluge Frau und als Ehefrau eines Polizisten hatte sie ein paar Tricks gelernt, um ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten.
»Ich bin’s, Madge. Harry Wilkes.«
Madge seufzte erleichtert, als sie die Stimme des jungen Detective Constables hörte. »Ich war mir nicht sicher, wer das ist«, gestand sie und ging auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. »Heutzutage kann man nicht vorsichtig genug sein.«
Wie immer hatte sie auch heute das Licht auf der Veranda angelassen. Als sie sich Harry näherte, konnte sie seinen düsteren Gesichtsausdruck erkennen.
Die
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