Das Mozart-Mysterium
wurde zwar ein Steckbrief ausgesandt, was aber wenig Aussicht auf Erfolg hatte.
Die Sonne stand bereits nachmittäglich tief und unsere Mägen knurrten, also begaben wir uns auf den Rückweg, dabei dem Geheimrat nur andeutungsweise über unseren Fund – ein ›altes Buch‹ – berichtend. Wir waren nicht sicher, ob der Spruch im Fries der Arkaden ein Hinweis auf das nächste Versteck war oder ob ein Hinweis in Händels Buch verborgen war, sodass wir darüber keine Mitteilung machten.
Der Geheimrat verabschiedete sich, verlangte aber, uns heute Abend nochmals sehen zu können, und so ging ich mit Mozart nach Hause.
Nachdem wir eine rasche Mahlzeit in der Küche eingenommen hatten, besuchte ich Thereses Gemach, das nun im drei große Räume umfassenden Gästequartier von Mozarts schöner Wohnung lag, wo auch ich ein Zimmer bewohnte. Ich erzählte Therese von den Ereignissen des Tages und war froh, einige Zeit allein mit meiner lieben Freundin verbringen zu können, deren Umarmung ich ersehnt hatte.
Während wir nebeneinander auf dem Bett lagen und redeten, verging die Zeit wie im Fluge. Wir planten die kommende Reise nach Leipzig, denn nur noch zwei Verstecke waren jetzt zu finden und Mozart blieben nur noch wenige Tage bis zum Ablauf der Frist.
Therese bestand energisch darauf, mit uns zu kommen. Ich war zwar dagegen, um sie nicht den Gefahren und Beschwerlichkeiten der langen Reise auszusetzen. Doch es war nicht zu leugnen, dass ihre Mithilfe und ihr scharfer Verstand uns schon große Dienste erwiesen hatten.
Schließlich klopfte Mozart an die Tür des Zimmers. »David! Wir müssen aufbrechen, zum Geheimrat. Er hat uns seine Kutsche geschickt.«
Während der Fahrt diskutierten wir die Frage des nächsten Versteckes. Mozart war überzeugt, dass die Inschrift in der Sichel des knöchernen Reiters tatsächlich das nächste Versteck beschrieb:
›Der große Hirte hütet nicht Lämmer auf Erden, doch das Gesetz‹.
Ich pflichtete ihm bei. Die Art und Weise der Formulierung war in der Tat eigenartig, denn weshalb musste die Ortsbestimmung ›auf Erden‹ beigefügt werden? Dies war inhaltlich unnötig. Auch dass der Begriff ›der große Hirte‹ womöglich den Erzbischof bezeichnete und nicht den Heiligen Vater – da die weltliche Funktion als Hüter des Gesetzes angesprochen wurde –, war ungewöhnlich. Zusätzlich – und vor allem – war aber befremdend, dass der Satz implizierte, dass der Erzbischof eigentlich nur das Gesetz hütete. Es musste tatsächlich ein Rätselspruch sein, der womöglich den Salzburger Klerikern überhaupt nicht bekannt war, denn sonst wären die ominösen Worte sicher entfernt worden.
Mozart führte seine Gedanken weiter aus: »Es ist eindeutig der Erzbischof gemeint. Der Zusatz ›auf Erden‹ könnte auf seine Residenz in der Stadt hin deuten, im Gegensatz zur Festung Hohensalzburg, die sozusagen in höheren Gefilden steht.«
Er hatte recht. Urplötzlich eröffnete sich mir der Sinn des letzten Hinweises. »Das ist es: Er hütet das Gesetz. Das heißt doch bestimmt: eines der Gesetze der idealen Melodie!«
Beglückt, dass wir wahrscheinlich das nächste Rätsel gelöst hatten, verließen wir nun die Kutsche, da wir am Haus des Geheimrates angelangt waren.
Ein Diener kam uns sogleich entgegen, als wir durch die Tür traten. Wir wurden wieder in das Vorzimmer geführt, wo uns von Wolfenstein abholte und in sein Arbeitszimmer mitnahm. Dort befanden sich bereits zwei Kammerdiener, die wohl immer für seine Wünsche bereitstanden. Sie traten näher an uns heran, doch anstatt uns zu begrüßen, sprangen beide hinter uns und rissen unsere Arme nach hinten, uns in einer wehrlosen Haltung fixierend.
Der Geheimrat kam näher: »Es tut mir ja so leid, meine Lieben. Es wird auch gleich überstanden sein, wenn Sie keine Gegenwehr leisten. Dies ist schließlich alles zu Ihrem Besten!«
Sprach’s und fing an, meine Jackentaschen zu durchsuchen. Da ich mein Notizbuch nicht bei mir hatte und auch sonst nichts zu finden war, ging er mit leeren Händen zu Mozart. Unglücklicherweise hatte dieser aus Furcht vor einem Diebstahl das kleine Büchlein mit Händels Memoiren bei sich, versteckt in der inneren Jackentasche. Natürlich fand es von Wolfenstein sofort und wog es lachend in seinen Händen.
Er schlug den Titel auf. »Sehr schön! Die geheimen Memoiren Händels. Na, davon hätten Sie mir aber schon früher berichten sollen, lieber Mozart! Sie wissen doch sicher,
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