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Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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klingelte.
    »Georg, hier ist Mario. Hast du in der Zeitung das Horoskop von Martin gelesen?«
    »Nein. Martin hat mir einen Entwurf gezeigt.«
    »Lies es! Du kippst aus den Latschen.«
    »Na, dann verrat es mir. Ich muss sonst runter an den Briefkasten gehen.«
    »Mach dich auf den Weg. Es lohnt sich.«
    Dengler stand auf. Eine Unterbrechung des Aktenstudiums würde ihm guttun. Er streckte sich und gähnte.
    Er verließ sein Büro, durchquerte den Flur und klopfte an Martin Kleins Tür. Niemand antwortete. Dann musste er doch einen Stock tiefer gehen und die Sonntagszeitung aus dem Briefkasten fischen.
    Als er vor dem Briefkasten stand, merkte er, dass er den Schlüssel vergessen hatte. Er griff mit zwei Fingern in den Schlitz des Briefkastens und bekam die Zeitung zu fassen. Doch sobald er sie hochhob, entglitt sie ihm. Er fluchte undversuchte es erneut. Diesmal gelang es ihm, die Zeitung einen Zentimeter zu heben, dann flutschte sie erneut zurück.
    Er rüttelte an der Tür.
    Zog daran.
    Das dünne Blech verbog sich leicht. Er wurde wütend.
    Er schlug mit der Faust auf das Schloss. Nun hatte der Briefkasten eine Delle. Aber die Tür blieb verschlossen.
    Dann eben nicht.
    Dann gehe ich eben einen Kaffee trinken.
    Er trat durch die Haustür ins Freie. Mit zwei Schritten war er am Eingang des Basta . Der kahlköpfige Kellner begrüßte ihn mit einem Kopfnicken.
    In dem Lokal saß nur eine Frau. Sie las in der Sonntagszeitung. Es dauerte einen Moment, bis Dengler sie erkannte. Es war Betty aus der Modebranche, Martin Kleins Angebetete.
    »Darf ich mich zu dir setzen?«
    »Aber ja«, sagte sie und machte eine einladende Geste mit der Hand.
    »Ich würde gern mal einen Blick in die Sonntagszeitung werfen«, sagte Dengler.
    Sie schob die Zeitung über den Tisch.
    Der Kellner stellte ein Tablett mit einem doppelten Espresso und einem Kännchen warmer Milch neben ihm ab.
    Georg blätterte durch die Sonntagszeitung, fand aber das Horoskop nicht. Nun wendete er langsam Blatt für Blatt. Nichts. Er fing noch einmal von vorne an.
    »Suchst du was Bestimmtes?«, fragte Betty
    »In dieser Woche haben sie offenbar kein Horoskop gedruckt.«
    »Doch, doch. Ich hab’s rausgenommen.«
    Sie hob ihre Handtasche auf den Schoß, öffnete sie, zog eine mehrfach gefaltete Zeitungsseite heraus und legte sie vor ihn hin.
    »Die haben die besten Horoskope«, sagte Betty.
    »Hm.«
    Dengler sah sein Horoskop sofort.
    Widder: Sie lieben das Risiko und die Gefahr. Im vorliegenden Fall sollten Sie aber behutsam vorgehen, da die Widerstände größer sind, als Sie ursprünglich dachten. In der Liebe lohnt sich das Warten .
    »Na ja, in gewisser Weise passt das. Warten gehört zu mir«, sagte er und dachte dabei an Olga.
    Er wartete jetzt schon viel zu lang auf sie.
    Aber das konnte Mario nicht gemeint haben. Er sah Betty an.
    Eine schöne Frau.
    Eine sehr schöne Frau.
    »Du bist Waage, nicht wahr?«
    Sie nickte.
    »Waage: Sie stehen vor einer entscheidenden Wendung in Ihrem Leben. Endlich ist Ihnen der Partner Ihres Lebens begegnet. Vielleicht haben Sie ihn noch nicht erkannt. Gehen Sie noch einmal an einen Ort, an dem Sie neulich inspirierende Stunden verbracht haben.«
    »Tja, da bin ich nun.«
    Sie sah ihn an und lächelte.
    Mein Gott, dachte Dengler, was hat Martin da nur angestellt.
    Klein hatte tatsächlich das Horoskop genutzt, um diese Frau ins Basta zu locken. So hartnäckig kannte er seinen Freund nicht. Es musste ihm ernst sein.
    Sie lächelte ihn erneut an.
    Sie denkt, ich bin’s.
    Sie denkt, ich bin die große Liebe ihres Lebens.
    Erschrocken stand er auf.
    »Heute Abend sind wir alle wieder hier«, sagte er. »Vielleicht hast du auch Lust …«
    »Gern«, sagte sie und steckte die Zeitungsseite zurück in ihre Handtasche.

New York, 28. Februar 2009
    Es war dieses traumartig-unfassbare Licht, das ihm an New York gefiel, ein Licht, wie er es aus keiner anderen Stadt der Welt kannte. Es war hell, trotzdem weich und gleißend, wie er es in Deutschland nie gesehen hatte, selbst in Rom nicht, wo er zwei Jahre lang Attaché an der Deutschen Botschaft gewesen war. Der Wind, der im Winter eiskalt war, klärte nun den Himmel, reinigte ihn und hob die absonderlichsten Gegenstände in die Höhe. Von seinem Hotelzimmer aus hatte er gestern lange einer Plastiktüte nachgeschaut, die hoch über den Schluchten von Manhattan schwebte in einem zärtlichen Tanz, um dann einem unsichtbaren Sog zu folgen, der sie in Richtung Central Park trieb. Lange

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