Das München-Komplott
darüber nur kurz per E-Mail informiert wurde.
Liebe Charlotte, es gab eine Einladung:
Podiumsdiskussion an der Uni Tübingen, Veranstalter: Antimilitaristischer Informationsdienst, Veranstaltungsort: Hegel-Bau. Teilnehmer angefragt: Charlotte von Schmoltke, CDU; Dr. Erhard Eppler, SPD; Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen; OB Boris Palmer, Bündnis 90/Die Grünen; Horst Pegel, Piratenpartei; Winfried Wolff, Die Linke; Jan Nauber, Antimilitaristischer Informationsdienst. Thema: Politische Auseinandersetzung oder Verbot? Müssen Neonazis verboten werden?
Haben wir bereits abgesagt , schrieb Sabine in der Notiz.
»Bitte sagt dieser Veranstaltung zu«, schrieb sie zurück.
Es war klar, dass sie die Rolle der bösen Konservativen spielen sollte. Aber das hatte sie nicht vor. Sie konnte vielleicht Öffentlichkeit für ihren Antrag auf dem Bundesparteitag finden.
Außerdem musste sich die Partei dringend jungen Leuten öffnen. Die CDU erreichte absolute Mehrheiten nur noch bei den über 65-Jährigen oder auf dem dünn besiedelten flachen Land. Sie hatte neulich erst an einem Hintergrundgespräch im Stuttgarter Staatsministerium teilgenommen. Die Zahlen, die sie dort gehört hatte, sprachen für sich. In wenigen Jahren würde Gevatter Tod breite Breschen in die Wählerschaft der Konservativen gerissen haben. In den aktiven, den berufstätigen Schichten hatte die Partei keine Mehrheit, beiden Frauen nicht einmal ansatzweise, und die eigene Jugendorganisation, da war sie sich mit dem Ministerpräsidenten einig, hatte keinerlei wahlwirksame Ausstrahlung in deren Generation. »Die rauchen nur die Zigarren aus Papas Humidor, aber mehr kriegen sie nicht zuwege«, hatte er gesagt, und damit wohl auch recht.
Sie hatte das Flugzeug von Berlin nach Stuttgart genommen, und Sabine war die paar Kilometer rübergefahren und hatte sie abgeholt.
Wie immer kam sie zu spät.
Die Podiumsdiskussion hatte schon begonnen.
Sie staunte, dass der Saal voll war. Sogar in den Gängen saßen die jungen Leute auf den Treppen, oder sie standen am Rand, an die Wände gelehnt. Sie musste sich an ihnen vorbeischlängeln, bis sie endlich unten zum Podium kam.
Sie wusste nicht mehr, wer gerade sprach, als sie ihren Platz erreichte. Nur der junge Mann, der in der Mitte des Tisches saß, stand auf, als sie den Stuhl an ihrem Platz vorzog. Er kam zu ihr, reichte ihr die Hand.
»Guten Tag, Frau von Schmoltke, schön, dass Sie da sind. Ich bin Jan, vom Antimilitaristischen Informationsdienst.«
Sie sah in warmherzige, blaue Augen, in ein junges offenes Gesicht, und ein Gefühl staunender Ergriffenheit bemächtigte sich ihrer. Wie in Trance setzte sie sich. Sie sah den jungen Mann nicht, sie beobachtete ihn nicht, wie er zu seinem Platz zurückging und sich wieder setzte, sie spürte es, ohne ihn zu sehen.
Es kribbelte sie im Nacken, an den Armen bekam sie eine Gänsehaut. Sie registrierte erstaunt eine Veränderung der Atmung, die sie nicht beschreiben konnte, und ihr ungläubiges Kopfschütteln galt nicht dem Redner, der gerade sprach.
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Dr. Schweikert meldete sich nach dem ersten Läuten.
»Dengler, Sie? Das freut mich. Sind Sie noch Privatermittler?«
»Bin ich. Und wieder einmal brauche ich Ihren Rat.«
»Den können Sie haben. Habe in letzter Zeit oft an Sie gedacht. Freiburg spielt ja jetzt in der ersten Liga, also demnächst auch gegen den VfB. Vielleicht komme ich Sie dann mal besuchen.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie Fußballfan sind.«
»Als Freiburger muss man für den Sportclub sein. Nie wieder zweite Liga!«
Sie lachten.
»Gut, Dengler, um was geht es?«
»Erinnern Sie sich noch an das Attentat auf das Münchener Oktoberfest 1980?«, fragte Dengler.
»Beschäftigen Sie sich damit ?«
»Ja.«
»Dengler, Sie haben ein Talent für die gefährlichen Fälle.«
»Warum sagen Sie das?«
»Weil es so ist. Lassen Sie die Finger davon. Es ist lange her. Aber an dem Staub, der sich darüber gelegt hat, kann man sich heute noch verschlucken.«
»Herr Dr. Schweikert, das ist dreißig Jahre her! Viele der Betroffenen sind schon tot.«
»Ja, an dieses Attentat erinnern sich nur noch wenige. Und das hat Gründe. Es wurde dafür gesorgt, dass es viele vergessen haben. Die Jüngeren wissen ohnehin nichts davon.«
»Genau, das ist doch merkwürdig. Wie kann der größte Terrorangriff in Vergessenheit geraten, wenn heutzutage jede Zeitung über den Krieg gegen den Terrorismus
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