Das München-Komplott
Milliardärsparty waren? Ich habe mir damals zwei Tage lang Notizen gemacht. Erinnerst du dich an die dicke …«
»Ein Major, verrückter Typ, der sucht immer noch nach GIs aus dem Zweiten Weltkrieg. Der ist mir noch einen Gefallen schuldig.«
Dengler kramte in seiner Schreibtischschublade.
»Irgendwo muss ich noch seine Telefonnummer haben«, sagte er.
»Und du meinst, der …«
»Einen Versuch ist es wert.«
Dengler hob ein schwarzes Notizbuch in die Höhe.
»Hier ist die Nummer. Warte.«
Er wählte.
»Major Hooker? Hier spricht Georg Dengler. Erinnern Sie sich noch an mich? Oh, sorry – Lieutenant Colonel. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung. Ich hoffe, es geht Ihnen gut!« – »Ja, ja, hier geht auch alles seinen Gang, mal besser, mal schlechter.« – »Ja, ich sitze an einem neuen Fall und brauche Ihre Hilfe. Kann ich Sie einen Moment damit belästigen?« – »Ich habe einen Hinweis bekommen, mit dem ich zunächst einmal nicht viel anfangen kann. Es geht um ein Field Manual der US-Army. Ich weiß leider nicht genau, was das ist.« – »Ja, eine Nummer wurde mir dazu genannt. Sie lautet 30–31.« – »Bitte, tatsächlich.« – »Ganz sicher.« – »Seltsam. Aber vielen Dank für die Auskunft. Alles Gute Major, sorry, Lieutenant Colonel Hooker. Bye-bye.«
Dengler legte auf.
»Ein solches Field Manual gibt es nicht, sagt er. Jedenfalls nicht mit diesen Nummern.«
»Kannst du ihm vertrauen?«, fragte Klein.
»Ich weiß es nicht. Aber das war meine einzige Verbindung zur amerikanischen Armee.«
»Ich hab auch eine Idee«, sagte Klein, »aber ich weiß nicht, ob es funktioniert.«
»Was?«
»Nee, Georg, ich will mal was probieren, ohne vorher viel drüber zu reden. Vielleicht klappt es.«
»O. k. Aber sei vorsichtig.«
Klein lachte.
»Mein Plan ist alles, aber nicht gefährlich. Er ist harmlos. Glaub mir.«
Dengler zuckte mit den Schultern.
Venedig, 24. Juni 2009
Als Mann mit Grundsätzen hatte Claudio Calzori feste Gewohnheiten. Jeden ersten Dienstag im Monat nahm er das Vaporetto der Linie Numero Due und fuhr von Sant’Elena bis San Marco.
Die Touristen nahm er nicht mehr wahr. Sie gehörten zur Stadt wie die Tauben. Sie waren eine ähnliche Plage: lästig, ungesund, alle möglichen Infektionen in die Stadt einschleppend, Vogelgrippe die einen, Schweinegrippe die anderen, alles verstopfend, laut, hässlich in den kurzen Shorts unter dicken Schwabbelbäuchen und über fetten Beinen, sich mit den Tauben eins machend, die sie fütterten und die sie auf ihren Händen, Armen und Schultern klettern ließen, als wären es Ratten.
Er hatte eine große Wohnung in Sant’Elena gekauft. In der Nähe des Canal Grande konnte er sich keine leisten. Hier saßen die reichen Amerikaner, der New Yorker Regisseur mit der großen Brille, den er nicht leiden konnte. Einmal hatte er einen Film von ihm gesehen, nicht weil es ihn interessiert hätte, sondern weil seine Frau ihn mitgeschleppt hatte. Scarlett Johansson spielte eine Hauptrolle. Sie allein verhinderte, dass er den Film nach fünfzehn Minuten wieder verließ. Seiner Frau hatte der Film gefallen. Nun ja, sie hatte schon immer einen merkwürdigen Geschmack. Angeblich kaufen die Russen jetzt die Palazzi auf. Und die nächste Welle wartet schon, das werden dann die Chinesen sein. Die werden in zehn oder zwanzig Jahren die Herren der Welt sein.
Alles ändert sich. Wer hätte das gedacht vor zwanzig oder dreißig Jahren, dass demnächst die Russen und die Chinesen den Ton angeben. Er hatte sich dagegengestemmt. Viel Dankbarkeit gab es dafür nicht. Eine ordentliche Rente, sicherlich. Aber irgendwie ging alles den Bach runter. Er verstand das nicht. Die Russen wechselten das Etikett auf ihrem Staat, waren jetzt nicht mehr sowjetisch, sondern nationalistisch – und plötzlich lagen sie mit protzigen Jachten gegenüber von Giudecca an der Mole und kauften die Palazzi. Die Chinesen wechselten noch nicht einmal das Etikett. Und trotzdem wurde ihnen erlaubt, Glas nach Venedig zu bringen, Glas, das aussah wie das aus Murano. Es wurde in der Stadt für ein paar Cent verkauft. Irgendwo in China wurde es von Glasbläsern für einen Hungerlohn hergestellt. Murano würde untergehen. Venedig würde untergehen. Alles, wofür er gekämpft hatte, würde untergehen.
Nur eine Frage der Zeit.
Er würde den totalen Abstieg nicht mehr erleben.
Nur die Rutschpartie dorthin.
Schlimm genug.
Mit verschlossenem Gesicht bahnte er sich den Weg durch Touristen und
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