Das Multiversum 1 Zeit
Tom.
»Wirklich? Das ist ja toll.«
»Ja. Man sieht, dass sie aus Sternen besteht.«
»Die Milchstraße?«
»Die Galaxis. Und es geht über den Schwan hinaus.« Er wies auf die Wände. »Sie fängt dort drüben beim Schützen an. Dann zieht sie sich durch den Adler und den Schwan, streift Cassiopeia, läuft an Perseus, Orion und dem Puppis vorbei, und dann sieht man sie nicht mehr. Ich wollte sie aber auch auf der anderen Seite sehen.«
»Er meint die südliche Hemisphäre«, sagte Bill. »Seine Mutter hat ihm von Einsätzen im Pazifik ein paar Bilder mitgebracht.«
Tom zeigte auf die Fotos. »Sie verläuft zum Carina, und dort sieht man viel mehr, dann zum Kreuz des Südens und Centaurus und dem Schwanz des Skorpions, und dann wird sie heller, und sie verläuft zum Schützen, wo sie wirklich breit wird und eine dunkle Linie in der Mitte hat. Und dann wieder zum Adler und zum Schwan …«
»Weißt du überhaupt, was das ist, Tom? Die Milchstraße, ich meine, die Galaxis.«
»Es sind Sterne. Und sie ist ein großes Wirbel.«
»Eine Spirale?«
»Ja. Schaut, hier seht ihr es. Hier, im Zwilling, ist die Mitte der Galaxis, wo sie dick und fett wird. Und die Arme wickeln sich darum. Wir sind in einem Arm. Ihr seht einen anderen Arm zwischen uns und dem Zentrum, der durch Centaurus und das Kreuz des Südens und Carina geht. Und dort …« – er deutete auf die hel-378
le Wolke im Carina – »… dreht er sich von uns weg, und ihr seht die Spitze, und deshalb ist er auch so hell wie eine Schlange von Autos, die einem auf der Straße entgegenkommt. Und dort ist eine Bahn aus Staub und Zeug, das dunkel aussieht, das Zeug zwischen den Armen, und das ist der schwarze Streifen in der Mitte. Und auf der anderen Seite vom Carina seht ihr dann den Arm, der sich um die Außenseite der Sonne wickelt, und hier geht es …« – er drehte sich um und wies auf den nördlichen Himmel – »… weiter, den ganzen Weg durch …«
Bill zuckte die Achseln. »Darauf ist Tommy ganz von allein gekommen.«
»Er ist darauf gekommen, dass er sich in der Mitte einer Spiralga-laxie befindet?«
»Ja. Von allein.«
Tom erzählte weiter. Er wäre ein ganz normaler Fünfjähriger gewesen – nett, freundlich, etwas furchtsam –, wenn er nicht diesen Vortrag gehalten hätte. Die meisten Kinder in seinem Alter, die Kinder in der Nachbarschaft, waren sich sicherlich kaum bewusst, dass sie in Iowa lebten. Und Klein Tom war schon ein galaktischer Reisender.
Sie verspürte einen Anflug von Furcht. Es war, sagte sie sich, diese Mischung aus Trivialem und Fremdartigem – das Kinderspiel-zeug und die Unordnung im Verein mit den Visionen galaktischer Geographie –, was diese Blauen Kinder so unheimlich machte. Ein Kind sollte einfach nicht so sein.
Und nun sah sie auch, dass jedes von Toms Spielzeugen, die Autos und Schiffe und Figuren, die er zu einem schützenden Ring um sich angeordnet hatte, blau waren.
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379
Maura ließ sich von Bill zu einem Kaffee einladen und versuchte ihn zu beruhigen.
Bill Tybee war Strohwitwer, ein Hausmann. Scheu zeigte er ihr eine animierte Postkarte seiner Frau June. Es hatte sie auf irgendei-nen Luftwaffenstützpunkt verschlagen. Sie war eine kleinwüchsige, etwas mollige Blondine mit einem breiten Iowa-Lächeln. Bekleidet war sie mit einer schmucken USASF-Uniform. Als Bill das Bild ins Licht hielt, durchlief die Postkarte eine Endlosschleife aus jeweils zehn Sekunden Salutieren und Grinsen. Sie tat als Technikerin in einer Spezialeinheit Dienst.
Nach ein paar Minuten artikulierte Bill seine Ängste wegen des Jungen. »Ich weiß, dass er ein Blauer ist. Das hat sich beim Ein-schulungstest gezeigt…«
»Dann sollten Sie doch stolz sein. Sie wissen, das heißt, dass er außergewöhnlich ist.«
»Ich will aber nicht, dass er außergewöhnlich ist. Nicht, wenn das bedeutet, dass er von hier weg muss.«
»So ist eben das Gesetz, Bill. Ich weiß, wie Sie sich fühlen. Ich weiß, dass Sie um seine Sicherheit besorgt sind, und Sie haben auch jedes Recht dazu, nach dem, was mit ihm passiert ist.«
»Man hat ihn nicht beschützt und obendrein weggejagt, Ms. Della. Ich werde ihn nicht zurückgeben, nur weil sie sagen, sie hätten es sich anders überlegt.«
»Aber Sie können ihn nicht bei sich behalten. Die neuen Zentren werden nicht von privaten Organisationen wie den Miltons betrieben, sondern von der Bundesregierung. Sie brauchen keine Angst zu haben. Es ist zu seinem Besten.«
»Bei allem Respekt, Ms.
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