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Das Multiversum 1 Zeit

Das Multiversum 1 Zeit

Titel: Das Multiversum 1 Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sich, dann hätte der Baum wohl eine Höhe von hundertfünfzig bis zweihundert Metern erreicht und die Kuppel gesprengt.
    Anna glitt zu einem Ast, ließ sich dort nieder und faltete die Schwingen zusammen. Maura stellte den Motor ab, und mit einem leisen Knarzen kam das Fahrzeug in einer Astgabel zur Ruhe.
    Maura sah einige der anderen Kinder. Sie schienen sich tief unter ihr zu befinden. Es waren zwei Gruppen zu jeweils fünf Kindern; das älteste schien ungefähr zehn Jahre alt zu sein. Nach fünf 579
    Jahren auf dem Mond waren sie dünn geworden und bewegten sich geschmeidig. Eine Gruppe spielte eine Art Fangen, wobei sie sich mit weiten, raumgreifenden Schritten, Purzelbäumen und spektakulären Sprüngen, die auch nur in der schwachen Mondgravitation möglich waren, jagten. Maura hörte ihr Lachen; das Ge-räusch stieg wie das Plätschern von Wasser zu ihr herauf.
    Die andere Gruppe wirkte ruhiger. Die Kinder bewegten sich umeinander, aber in einer Abfolge von Mustern, in denen sie jeweils für einen Sekundenbruchteil verharrten und dann zum nächsten übergingen. Sie schienen sich zu unterhalten oder vielleicht auch zu singen, doch Maura verstand kein einziges Wort.
    »Anna, wo sind die Tybee-Kinder? Tom und Billie …«
    Anna zeigte sie ihr.
    Die Tybees waren in der ruhigen Gruppe. Maura erkannte den nun zehnjährigen Tom mit seinem runden und ernsten Gesicht.
    An der Hüfte hing sein elektronisches Herz, ein Geschenk von seiner verschollenen Mutter. Es war ramponiert, verdreckt und funktionierte wahrscheinlich gar nicht mehr. Sie fragte sich, welches der kleineren Kinder Billie war.
    Sie hatte seinem Vater einmal versprochen, dass sie Tom schützen würde. Es war im Grunde dieses Versprechen, das sie herge-führt hatte. Und doch, welchen Schutz vermochte sie ihm zu bieten? Was hatte sie bisher überhaupt für ihn getan?
    »Kannst du mir vielleicht sagen, was sie dort unten machen?«
    »Sie arbeiten. Ihre Leute bezeichnen es als …«
    »Multiplexen. Ja, ich weiß. Und worüber unterhalten sie sich?«
    In Annas Gesicht arbeitete es. »Sie ziehen Einschränkungen der äußersten Vielfalt in Erwägung.«
    Maura befürchtete, dass sie Schwierigkeiten haben würde, dem weiteren Gesprächsverlauf zu folgen.
    »Die Vielfalt wovon?«
    »Der Universen. Es ist natürlich ein Truismus …«
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    »Ein Truismus?«
    »Eine Binsenweisheit, dass alle logisch möglichen Universen existieren müssen. Das Universum, dieses Universum wird von einem formalen System beschrieben – obwohl das eigentlich das falsche Wort ist. Mathematik. Ein System aus Mathematiken.«
    Maura runzelte die Stirn. »Du meinst eine Theorie von Allem?«
    Anna tat das mit einer Handbewegung ab, und die schönen Schwingen raschelten. »Es gibt viele formale Systeme. Manche sind weniger reich, andere umso mehr. Aber jedes formale System, das in sich logisch ist, beschreibt ein mögliches Universum, das deshalb auch existiert.«
    Maura versuchte zu folgen. »Gib mir ein Beispiel für ein formales System.«
    »Die Regeln der Geometrie. Ich meine der euklidischen Geometrie.«
    »Gymnasialstoff.«
    Anna schaute sie vorwurfsvoll an. »Ich bin nicht aufs Gymnasi-um gegangen, Maura.«
    »Es tut mir Leid.«
    »Manche dieser Universen, die von den formalen Systemen beschrieben werden, sind reich genug, um selbstbewusste Substrukturen zu unterstützen: Leben, Intelligenz. Und manche dieser Universen sind nicht reich genug. Das gilt wahrscheinlich für ein Universum, das durch euklidische Geometrie beschrieben wird. Deshalb entzieht es sich auch der Beobachtung. Die Gruppe dort unten versucht nun zu ermitteln, ob man ein Universum, das man nicht zu beobachten vermag, obwohl es existiert, einer anderen Ka-tegorie der Existenz zuordnen kann …« Anna schaute Maura an.
    »Verstehen Sie?«
    »Kein einziges Wort.«
    Anna lächelte.
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    Maura sah Feuerkäfer-Robots über den Köpfen der Kinder schweben, die alles aufzeichneten, was sie taten und sagten. Der Tanz dieser kleinen Kinder barg vielleicht einen reichen Schatz an Wissen und Weisheit, doch die versammelten Geistesgrößen der Welt vermochten ihn nicht zu heben. IBM hatte jahrzehntelange Entwicklungsarbeit leisten müssen, nur um ein Übersetzungs-Programm zu schreiben.
    Es hatte den Anschein, dass die Kinder eine eigene Sprache entwickelt hatten, die eine Kombination aus Elementen der verschiedenen Muttersprachen und Gesten, Tanz und Musik darstellte. Es war ein ebenso komplexer wie vielschichtiger

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