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Das Multiversum 2 Raum

Das Multiversum 2 Raum

Titel: Das Multiversum 2 Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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reparieren.
    ■
    Zehn Sekunden. Fünf. Drei, zwei, eins.
    Für einen Sekundenbruchteil Stille. Dann ertönten das Knattern von Sprengbolzen und ein gedämpfter Knall.
    Xenia stieg auf wie in einem überfüllten Aufzug und wurde vielleicht mit einem vollen Ge in den Sitz gedrückt. Beim Blick aus dem Fenster sah sie, dass Staub strahlenförmig über die glasierte Startrampe geblasen wurde und sich an Tankwagen und Rohrlei-tungen ablagerte.
    Dann vollführte die Raumfähre einen abrupten Schwenk um neunzig Grad. Sie hörte Leute nach Luft schnappen und Kinder lachen. Es ging wieder ein Ruck durch die Raumfähre, als die Steuertriebwerke feuerten. Diese Mondfähre war klein, leicht und primitiv. Wie die alten Apollo-Mondlandefähren hatte sie ein einzelnes starres Raketentriebwerk, das für den Aufstieg zuständig war und vier Steuertriebwerke an jeder Ecke, die die Fähre steuerten und die Flugbahn kontrollierten. Zielen, drehen, ›spritzen‹ – als ob sie eine Comicfigur wäre, die auf dem Wasserstrahl eines wildge-wordenen Schlauchs ritt.
    In einer Höhe von dreihundert Metern drehte die Raumfähre sich erneut, und Xenia wurde nach vorn gerissen und schaute auf die Mondoberfläche hinab, über die sie dahinflogen. Sie stiegen aus der Mondnacht empor: Das Land war dunkel, hier und da von den Lichtern menschlicher Einrichtungen erhellt, die wie gefange-312
    ne Sterne auf dunklem Gestein anmuteten. Sie hatte das Gefühl zu fallen, als ob das Aufstiegstriebwerk sie geradewegs ins massive Gestein rammen wollte. Dann ging schlagartig die Sonne auf.
    Es war anders als die langsame Morgendämmerung auf der Erde; das Sonnenrund schob sich über den steinigen Horizont des Mondes und überstrahlte die Sterne am schwarzen Himmel. Licht schwappte über die sich entfaltende Landschaft, Finger aus Licht, mit tintig-schwarzen Schatten durchsetzt, griffen Hunderte von Kilometern weit aus. Die tieferen Krater waren noch immer Bassins aus Dunkelheit. Der Mond war keinesfalls eine Schönheit – dazu war er zu ramponiert –, aber er hatte eine Anmutung der Wildheit.
    Überall erkannte sie die Handschrift von Menschen: Die unver-kennbaren Spuren von Zugmaschinen, die sich über den Regolith schlängelten und vereinzelte signalorangefarbene Zelte, die die Position von Notfall-Vorratslagern markierten – alles überlagert von den glänzenden silbernen Strängen von Massetreiber-Schienen.
    Die Raumfähre stieg höher. Die MondJapaner beklatschten den reibungslosen Start.
    Nun ging die Erde auf. Sie war noch immer so blau und schön wie damals, als sie und Frank zu den Sternen aufgebrochen waren.
    Aber sie hatte sich natürlich verändert. Sogar von hier aus sah sie die Blumen-Schiffe der Gaijin, die den Planeten umkreisten; die riesigen Ansaugstutzen der außerirdischen Raumfahrzeuge zeichneten sich als winzige Scheiben ab. Sie verspürte einen Anflug von Ressentiment gegen diese mächtigen stummen Besucher, die ungerührt zugesehen hatten, wie die Menschheit sich zerfleischte.
    Und als die Raumfähre sich neigte und in den Zwei-Stunden-Orbit um den Mond ging, sah Xenia etwas, das, wie sie wusste, noch nie ein Mensch erblickt hatte: Das Erscheinen eines Kometen über dem Mond.
    Die Koma, eine diffuse Masse aus Gas und feinen Partikeln, war eine Kugel so groß wie die Erde und so nah, dass sie den halben 313
    Himmel ausfüllte wie eine Wand aus diffusem Pastell-Licht. Große Brocken in der Koma warfen in ihrem Widerschein Schatten durch das rauchige Gas. Gerade Linien, Tausende von Kilometern lang, die nach ihr ausgriffen. Der Komet kam aus der Sonne und raste mit siebzigtausend Kilometern pro Stunde auf den Mond zu.
    Sie hielt Ausschau nach dem Nukleus, einer Milliarde Tonnen schweren Kugel aus Eis und Gestein. Aber sie war noch zu klein und zu weit weg, obwohl der Einschlag schon in wenigen Minuten erfolgen würde. Und der Schweif war von hier aus nicht zu sehen; er befand sich hinter ihr und eilte dem Kometen voraus. Er erstreckte sich weit über den Mond hinaus, auf halbe Entfernung zum Mars.
    Plötzlich brandete ein Lichtschwall gegen die Raumfähre an. Das kleine Schiff war in die Koma eingedrungen. Xenia kam sich vor wie in einem diffusen glühenden Nebel.
    »Velikij boch.«
    Frank beugte sich über sie, um etwas zu sehen. Er war siebzig Jahre alt – physiologisch – und hatte eine Blumenkohl-Nase. Er war ein kleiner, untersetzter Mann mit dicken Beinen und Body-builder-Muskeln, die für die irdische Schwerkraft geschaffen

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