Das Multiversum 2 Raum
Phosphate, um den Biozyklus anzureichern.
Aber auf dem Mond fehlen alle Bestandteile des Lebens. Ein Wassermolekül überdauert dort draußen auf der Oberfläche ein paar Stunden, ehe es vom Sonnenlicht gespalten und zerstört wird.
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Die Mondatmosphäre ist so dünn, dass Wassermoleküle sogar in den Orbit gelangen. Dort sind sie aber zu nichts nutze.«
Das stimmte. All das war schon von dem Moment an bekannt gewesen, als der erste Apollo-Astronaut den ersten Brocken unan-sehnlichen Mondgesteins aufgehoben und gemerkt hatte, dass er knochentrocken war – eigentlich noch trockener.
Eine Zeit lang hatte man die Hoffnung gehegt, dass tiefe, schattige Krater in der Nähe der Mondpole als Reservoirs für Wassereis dienten, das sich durch Kometeneinschläge dort abgelagert hatte.
Zur großen Enttäuschung dieser Träumer hatte man dort allenfalls Spuren von Wassereis gefunden. Zumal bei solchen Einschlägen ohnehin kaum flüchtige Stoffe abgelagert wurden, wie der Fracastorius-Einschlag gezeigt hatte. Und selbst wenn es solche Eisvor-kommen gegeben hätte, dann hätten sie sich nicht lang gehalten; die Mondachse war nämlich instabil, sodass der Mond über einen Zeitraum von ein paar hundert Millionen Jahren ›flatterte‹ – eine lange Zeit zwar, aber doch so kurz, dass kein Krater für immer im Schatten blieb.
Trocken oder nicht, nutzlos war das Mondgestein dennoch nicht. Der Gewichtsanteil von Sauerstoff betrug vierzig Prozent.
Und es gab noch andere nützliche Elemente: Silizium für die Herstellung von Glas, Glasfasern und Polymeren; Aluminium, Magnesium und Titan für Maschinenteile, Kabel, Beschichtungen; Chrom und Magnesium für Metalllegierungen.
Grundsätzlich hatte Frank aber recht. Selbst wenn eine Mine auf der Erde das hochwertigste Monderz gefördert hätte, wäre es als Schlacke entsorgt worden.
Und aus diesem Grund hatte Frank das Prometheus-Projekt initiiert, einen Plan für die Einfuhr von flüchtigen Stoffen und die Er-höhung der Rotationsgeschwindigkeit des Monds durch das Bombardement mit Kometen oder Asteroiden. Aber es hatte nicht funktioniert.
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»Was sollen wir also als Nächstes tun?« Er betrachtete sein Publikum. Er hatte es wie immer im Griff, sogar diese skeptischen, leicht verwirrten MondJapaner. »Glauben Sie mir, wir müssen etwas finden. Der Mond, euer Mond, stirbt. Wir sind nicht hierher gekommen, damit unsre Kinder in engen Kästen leben müssen.
Wir sind gekommen, um wie Menschen in Freiheit und Würde zu leben.« Er riss die Arme hoch und sog die wiederaufbereitete Luft ein. »Ich will Ihnen meinen Traum erzählen. Eines Tages, bevor ich sterbe, will ich die verdammten Türen aufstoßen und aus der Kuppel spazieren. Und ich will die Luft des Mondes atmen. Die Luft, mit der wir ihn versehen haben.« Er ging auf und ab wie ein Prediger – oder ein Propagandist. »Ich will einen Mond sehen, der nach dem Bild der Erde geformt wurde. Ich will einen Mond sehen, der von atembarer Luft umhüllt wird, auf dem es so viel Wasser gibt, dass die tiefen Maria die Bezeichnung ›Meer‹ auch wirklich verdienen, wo Pflanzen und Bäume im Freien wachsen und wo in jedem Krater ein kreisrunder See schimmert … Es ist ein Traum. Vielleicht werde ich seine Verwirklichung nicht mehr erleben. Aber ich weiß, dass das der einzige Weg für uns ist. Nur eine stabile Welt mit tiefen biologischen Reservoirs an Wasser, Kohlenstoff und Luft wird groß genug sein, um freies menschliches Leben auf dem Mond möglich zu machen, für die nächsten Jahrhunderte und Jahrtausende. Verdammt, wir sind auf lange Sicht hier, Leute, und wir müssen lernen, in diesen Kategorien zu denken.
Weil uns nämlich niemand helfen wird – weder die Erde noch die Gaijin. Ihnen ist es egal, ob wir leben oder sterben. Wir stecken in diesem Schützengraben fest, in der Mitte des Schlachtfelds, und wir sind auf uns allein gestellt.
Um aus dem Mond einen Zwilling der Erde zu machen, brauchen wir aber flüchtige Stoffe, hauptsächlich Wasser. Auf dem Mond gibt es keine flüchtigen Stoffe, also müssen wir sie einführen. Richtig?«
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Nun beugte er sich einschüchternd vor; ein primitiver, aber effektiver Trick, sagte Xenia sich.
»Falsch. Ich bin heute hier, um Ihnen ein neues Paradigma zu präsentieren. Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass der Mond selbst reich – fast unvorstellbar reich – an flüchtigen Stoffen ist.
Genug, um uns und unsere Familien für Tausende von Jahren am Leben zu erhalten. Und
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