Das Multiversum 2 Raum
nebenbei werden wir dabei reich wie Krö-
sus …«
Das war die Klimax, der Knüller, mit dem Frank die Leute vom Hocker reißen wollte. Aber das Publikum war alles andere als hin-gerissen, wie Xenia sah. Drei Jahrhunderte und ein Wechsel des Planeten hatten die Japaner kaum verändert, und die kulturellen Schranken waren auch noch nicht gefallen; sie beargwöhnten den bräsigen Fremden, der sich vor ihnen aufgebaut hatte und in die Struktur aus Beziehungsgeflechten und der choreographierten Etikette einzubrechen versuchte, die ihr Leben bestimmten.
Frank trat zurück. »Sagen Sie's ihnen, Mariko.«
Die schlanke Mond-Japanerin erhob sich sichtlich nervös und verneigte sich tief vorm Publikum.
Erde-Mond und die anderen Planeten, erläuterte Mariko anhand von übersichtlichen Softscreen-Grafiken, waren vor fast fünf Milliarden Jahren aus einer wirbelnden Staub-und Gaswolke entstanden. Diese urzeitliche Wolke war reich an flüchtigen Stoffen: Zum Beispiel bestand sie zu drei Prozent aus Wasser. Das ergab sich aus der Zusammensetzung der Asteroiden, bei denen es sich um übrig gebliebene Fragmente der Wolke handelte.
Aber es gab eine Anomalie. Alles Wasser auf der Erde, in den Meeren, der Atmosphäre und den Eiskappen, machte weniger als ein Zehntel dieses Anteils aus. Nur 0,3 Prozent. Wo war das restliche Wasser geblieben?
Gemäß der herrschenden Lehrmeinung war es durch die enorme Hitze bei der Entstehung der Erde verdampft. Aber Mariko glaub-322
te, dass ein großer Teil davon noch vorhanden war, dass Wasser und andere flüchtige Stoffe tief unter der Erde eingeschlossen waren: Vielleicht vierhundert Kilometer tief im Erdmantel. Freilich würde das Wasser nicht in Gestalt riesiger unterirdischer Meere vorliegen, sondern als Tröpfchen, von denen manche nur aus einem Molekül bestanden und in Kristallgittern von Mineralien eingeschlossen waren, die als Wadsleyit und Hydroglimmer bezeichnet wurden. Diese besonderen Formen vermochten Wasser in ihre Struktur zu integrieren, wobei der hohe Druck der Neigung des Wassers entgegenwirkte, bei hohen Temperaturen zu verdampfen.
Schätzungen zufolge war fünfmal so viel Wasser im Innern der Erde enthalten wie in den Meeren, der Atmosphäre und den Eiskappen zusammen.
Und was für die Erde galt, traf vielleicht auch auf den Mond zu.
Laut Mariko bestand der Mond überwiegend aus Material wie der Erdmantel. Und zwar aus dem Grund, weil der Mond früher vermutlich zur Erde gehört hatte und bei einer gigantischen urzeitlichen Kollision von der Erde abgesplittert war. Der Mond war kleiner als die Erde, kühler und fester, sodass der Kern des Mondes den Schichten des Erdmantels in einer Tiefe von ein paar hundert Kilometern entsprach. Und just in dieser Tiefe stieß man auf der Erde auf diese wasserhaltigen Mineralien …
Frank beobachtete sein Publikum wie ein Falke.
Das Modell der Mondkugel leuchtete plötzlich auf. Die geologischen Zwiebelschalen-Schichten wichen einem blauen Meer, das völlig irreal an den Kern des Monds schwappte. Xenia lächelte.
Das war typisch Frank: Unwissenschaftlich, aber sehr effektvoll.
»Hören Sie zu«, sagte er. »Was, wenn Mariko recht hat? Was, wenn auch nur ein Promille der Mondmasse aus Wasser besteht?
Das entspräche immerhin fünf Prozent des Oberflächenwassers der Erde. In der Tat ein verborgenes Meer.
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Und das ist noch nicht alles. Wo es Wasser gibt, sind auch noch andere flüchtige Stoffe: Kohlendioxid, Ammoniak, Methan, sogar Kohlenwasserstoffe. Alles was wir tun müssen, ist runtergehen und es raufholen.
Und es gehört uns. Wir beherrschen nicht den Himmel; angesichts der Präsenz der Gaijin werden die Menschen ihn vielleicht nie beherrschen. Aber uns Mondbewohnern gehört der Boden unter unseren Füßen.
Leute, ich nenne diese neue Unternehmung Roughneck. Wenn Sie den Grund wissen wollen, schauen Sie im Wörterbuch nach. Ich lade Sie ein, in mich zu investieren. Natürlich ist es ein Risiko.
Wenn es aber funktioniert, überwinden wir damit den Ressourcen-Engpass, mit dem wir hier auf dem Mond konfrontiert werden.
Und Sie werden dabei so reich werden, wie Sie es sich in den kühnsten Träumen nicht vorgestellt hätten.« Er grinste. »Verdammt, es gibt ein Meer dort unten, Leute! Und es wird Zeit für einen Tauchgang!«
Frank legte eine Kunstpause ein, um seine Ausführungen aufs Publikum wirken zu lassen.
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Nach der Veranstaltung unternahm Xenia einen Spaziergang.
Die Mondoberfläche unter der Kuppel war zu
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