Das Multiversum 2 Raum
abgedeck-ten Glaskrug mit trübem Wasser auf einem Tisch. Mondwasser, seine einzige Trophäe von Roughneck.
»Das ist ein toller Käfig«, sagte er. »Wenn man schon in einem Käfig leben muss.« Er lachte kehlig. »Zivilisiert, diese MondJapaner. Nun, wir werden sehen.«
Sie schaute auf die ölige Flüssigkeit in ihrem Glas. »Ich finde das nicht. Mir – gefällt es hier. Ich hätte sicher Spaß daran, eine Welt zu erschaffen.«
Er grunzte. »Du wirst heiraten. Kinder bekommen. Enkel.«
»Vielleicht.«
Er schaute sie finster an. »Wenn du das tust, denk auch mal an mich, der das alles ermöglicht hat und dem man als Lohn für seine Mühe den Arsch aufgerissen hat. Vergiss das nicht.«
Er führte sie ans Fenster.
379
Sie schaute hinaus und ließ wie eine Göttin den Blick über die Szenerie schweifen. Die Bohrstelle war eine Ansammlung klobiger Maschinen, die nun alle mit einer dicken grauen Staubschicht überzogen waren und in künstliches Licht getaucht wurden. Die Sterne hingen hell und still über der Ebene, und Fahrzeuge und Menschen schwärmten wie Ameisen in Raumanzügen über die alte zerklüftete Ebene aus.
»Das ist ein großer Tag«, sagte sie. »Sie verwirklichen deinen Traum.«
»Meinen Traum, verdammt.« Er füllte das Glas mit Sake und kippte ihn in einem Zug hinunter. »Sie haben ihn mir gestohlen.
Und sie gehen runter. Das ist es, was Nishizaki und die anderen vorhaben. Ich habe ihre Pläne gesehen. Große Städte in der Kruste, die Platz für Tausende, sogar Hunderttausende von Menschen bieten und die mit Wärmeenergie aus dem Gestein versorgt werden. In fünfzig Jahren hat die gegenwärtige Mondbevölkerung sich vielleicht vervielfacht und den Mond ausgehöhlt.« Er schaute unruhig auf die Uhr.
»Was ist daran denn falsch?«
»So war das nicht gedacht, verdammt.« Er schaute auf zum nar-bigen Antlitz der Erde. »Wenn wir uns eingraben, werden wir das nicht mehr sehen. Wir werden es vergessen. Begreifst du denn nicht …?«
Plötzlich kam an der Bohrstelle Unruhe auf. Sie ging zum Fenster und beschirmte die Augen, um die Raumbeleuchtung auszu-blenden.
Leute rannten vom Bohrturm weg.
Dann erbebte der Mond. Das Gebäude schüttelte sich träge. Ein Beben auf dem ruhigen, stillen Mond?
Frank warf einen Blick auf die Uhr. Er stieß die Faust in die Luft und stapfte zum Fenster. »Genau rechtzeitig. Jetzt geht der Punk ab.«
380
»Frank, was hast du getan?«
Ein neuerliches, heftigeres Beben. Eine kleine Buddha-Statue rutschte vom Sockel und landete sanft auf dem mit Teppichen ausgelegten Boden. Xenia versuchte die Balance zu halten. Es war wie eine schlingernde Zugfahrt.
»Nicht viel«, sagte Frank. »Habe nur Hohlladungen in der Ummantelung gezündet. Sie haben die Wand des Bohrlochs und das dahinterliegende Gestein aufgerissen, sodass das Wasser und das klebrige Zeug direkt in die Röhre fließen und …«
»Ein Ausbläser. Du hast einen Ausbläser verursacht.«
»Wenn ich es richtig kalkuliert habe, wird das Innere des ganzen abgefuckten Monds aus diesem Loch sprudeln. Als ob man die Luft aus einem Ballon gelassen hätte.« Er fasste sie an den Armen.
»Hör mir zu. Wir sind hier sicher. Ich habe es berechnet.«
»Und die Leute dort unten im Krater? Deine Manager und Techniker? Die Kinder?«
»Von diesem Tag werden sie ihren Enkelkindern erzählen.« Er zuckte die Achseln und grinste. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Sie werden mich sowieso einlochen. Wenigstens wird auf diese Art …«
Nun gab es eine Eruption in der Mitte des Bohrturms. Eine Säu-le schnell gefrierender Flüssigkeit bohrte sich durch den Turm und zertrümmerte die leichten Gebäude der Bohrstation. Schließ-
lich schoss die Fontäne so hoch empor, dass sie das Sonnenlicht reflektierte, das schräg über die Berge einfiel. Sie schien in Flammen aufzugehen, und funkelnde Eiskristalle fielen in komplexen parabolischen Bündeln auf den Boden zurück.
Frank reckte wieder die Faust. »Weißt du, was das ist? Kerogen.
Eine teerartige Substanz, die man in Ölschiefer findet. Sie enthält Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Schwefel, Kalium, Chlor und andere Elemente … Ich wollte es nicht glauben, als die Laborfritzen mir erzählten, was sie dort unten gefunden hatten. Manko 381
sagt, Kerogen sei so nützlich, dass wir genauso gut Hühnersuppe im Gestein hätten finden können.« Er lachte keckernd. »Hühnersuppe aus der Urwolke. Ich habe gewonnen, Xenia. Mit diesem Ausbläser habe ich den Bau von
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