Das Multiversum 2 Raum
des Gesteins sah sie sein Gesicht nicht.
Das hatte sie nicht erwartet. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.
»Du sagst ja gar nichts.« Nun war seine Stimme fast schrill.
»Der Komet«, sagte sie leise.
Er hielt sie schweigend an den Händen.
»Die Methanrakete«, sagte sie. »Auf dem Kometen. Sie wurde entdeckt.«
Sie merkte ihm an, dass er mit dem Gedanken spielte, sich dumm zu stellen. »Wer hat das herausgefunden?«, fragte er schließ-
lich.
»Takomi.«
»Dieser Pisse saufende alte Bastard in Edo?«
»Ja.«
»Das beweist aber noch nicht…«
»Ich habe die Konten geprüft. Ich weiß, wie du die Mittel umgeleitet hast, wie du die Rakete gebaut hast, wie du sie gestartet hast, wie du sie auf den Kometen gelenkt hast. Alles.« Sie seufzte. »In solchen Dingen warst du noch nie gut, Frank. Du hättest mich fragen sollen.«
»Hättest du mir denn geholfen?«
»Nein.«
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Er ließ ihre Hände los. »Ich wollte nicht, dass er dort einschlägt.
In Fracastorius.«
»Das weiß ich. Trotzdem ist es geschehen.«
Er nahm das Glas Mondwasser in die Hand. »Aber weißt du was, ich hätte es auch durchgezogen, wenn ich es gewusst hätte. Ich brauchte den verdammten Kometen für diesen Paukenschlag. Es war die einzige Möglichkeit. Stagnation ist keine Lösung. Sie bedeutet den Untergang. Wenn ich den Mond-Japanern eine Wahl gelassen hätte, hätten sie für die Zeit, die ihnen noch geblieben wäre, Wasser aus altem Beton gesaugt.«
»Aber es wäre ihre Entscheidung gewesen.«
»Und das ist wichtiger als das Leben?«
Sie zuckte die Achseln. »Es ist gar nicht zu vermeiden, dass sie es erfahren.«
Er drehte sich zu ihr um, und sie spürte, dass er wieder dieses freche Grinsen im Gesicht hatte. »Immerhin habe ich mein Projekt beendet. Immerhin bin ich ein Held … Heirate mich«, sagte er.
»Nein.«
»Wieso nicht? Weil ich in den Knast wandern werde?«
»Nicht deshalb.«
»Weshalb dann?«
»Weil dieses Gefühl bei dir nicht lang anhalten würde. Du bist ein unruhiger Geist, Frank.«
»Du irrst dich«, sagte er. Aber es klang nicht sehr überzeugend.
»Also keine Hochzeitsglocken«, sagte er. »Keine kleinen Mond-Amerikaner, die diesen Japanern beibringen, wie man Football spielt.«
»Sieht so aus.«
Er machte ein paar Schritte und drehte ihr den Rücken zu.
»Gibt einem trotzdem zu denken«, sagte er.
»Was?«
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Er wies auf die glühenden Wände. »Diese Technik ist gar nicht so fortschrittlich. Die ersten Menschen auf dem Mond hätten das zwar nicht geschafft, aber vielleicht wäre es uns gelungen, am En-de des zwanzigsten Jahrhunderts eine Art Mine auf dem Mond in Betrieb zu nehmen. Wir hätten das Wasser fördern und von dem leben können, was das Land bietet. Wenn wir nur von diesen ganzen Reichtümern gewusst hätten, dann wäre die NASA vielleicht aktiv geworden. Und dann hätten wir einen amerikanischen Mond gehabt, und wer weiß, wie die Geschichte sich dann entwickelt hät-te?«
»Niemand von uns vermag den Lauf der Welt zu ändern«, sagte sie.
Er schaute sie an, wobei sein Gesicht vom Licht des Gesteins überstrahlt wurde. »Und wenn wir es noch so sehr versuchen.«
»Nein.«
»Was glaubst du, wie viel Zeit ich noch habe, bis sie den Laden dichtmachen?«
»Ich weiß nicht. Ein paar Wochen. Mehr nicht.«
»Dann muss ich diese paar Wochen optimal ausnutzen.«
Er zeigte ihr, wie sie das Gurtzeug des Anzugs in das Zugseil einhängen musste, und dann begaben sie sich an den langen, langsamen Aufstieg an die Oberfläche des Mondes.
Auf der Bank auf der Schachtsohle sah sie das abgedeckte Gefäß mit dem Mondwasser darin.
■
Nach der Reise zum Mittelpunkt des Monds kehrte sie nach Edo zurück, um die Stille zu genießen.
Die Welt hier auf der Rückseite des Mondes war einfach: Unten der Regolith, oben das Sonnenlicht, das dem schwarzen Himmel 373
entströmte. Land, Licht, Dunkelheit. Das und sie selbst. Als sie auf ihren Schatten schaute, wurde das Licht vom Staub auf sie reflektiert und legte ihr einen Kranz um den Kopf.
Die Mondblume hatte sich seit dem letzten Besuch deutlich verkleinert, wie sie sah; viele der äußeren Blüten waren abgebrochen oder zersplittert.
Nach einer Weile bekam sie Besuch von Takomi.
Er sagte: »Hinweise auf die Blumen hat man früher schon gefunden.«
»Wirklich?«
»Ich habe insgeheim alte Aufzeichnungen der Mondoberfläche studiert. Ein Vermächtnis aus besseren Zeiten, als der Mond bis ins Detail erforscht wurde. Aber
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