Das Multiversum 2 Raum
fortgewesen. Er konnte ins Sonnensystem und zur Erde zurückkehren, wenn er das wollte. Aber sie beide wussten nur zu gut, dass die Heimat nicht mehr existierte.
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Im Zentrum der Galaxis gab es einen Hohlraum, den der heftige Wind eines riesigen Schwarzen Lochs freigeblasen hatte. Der Hohlraum war mit Gas und Staub durchsetzt, ionisierten Teilchen, die durch die gewaltige Gravitation und die hier waltenden magnetischen Kräfte auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt wurden, sodass Bänder aus glühendem Gas den Hohlraum wie ein ätherisches Gespinst durchzogen. Dies war der Geburtsort von Sternen, auch eines Haufens junger blauer Sterne, die in unmittelbarer Nähe zum Schwarzen Loch standen.
Hie und da wanderten Sternen-Irrläufer durch den Hohlraum – und sie zogen einen hellen Schweif nach, wie hundert Lichtjahre lange Kometen.
Sterne wie Kometen.
Er verspürte ein Hochgefühl. Ich, Reid Malenfant, darf das sehen, das Herz der Galaxis, bei Gott! Er wünschte sich, Kassiopeia wäre hier, sein Begleiter während dieser endlosen Sattelpunkt-Sprünge von einem Stern zum andern …
Beim Gedanken an Kassiopeia loderte sein Zorn wieder auf.
Aber die Gaijin waren nie unser Feind gewesen, jedenfalls nicht in diesem Sinn. Sie haben Geduld gelernt zwischen den Sternen. Sie haben nur versucht, Schritt für Schritt und auf ihre Art zur Erkenntnis zu gelangen.
Aber für uns hat es zu lang gedauert.
Erst nach einer langen Zeit sahen wir auch den Rest von ihnen, die große Welle aus Kolonisten und Mineuren, die den Gaijin nachfolgten und entlang des Spiralarms der Galaxis in unsere Richtung unterwegs waren.
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kapitel 24
KINTUS KINDER
Zweihundert Kilometer über der glühenden Erde faltete ein Blumen-Schiff der Gaijin die elektromagnetischen Schwingen zusammen. Drohnen-Roboter zogen ein verschrammtes Wohnmodul aus der sehnigen Struktur des Schiffes und schickten es auf einer langsamen präzisen Flugbahn zum Baum.
Der im Modul mitfliegende Malenfant sah, wie der Baum immer größer wurde.
Die Krone des Baums, der die Erde umkreiste, war eine glühende grüne Kugel aus Zweigen und Blättern, in der eine lebhafte Photosynthese stattfand. Der Stamm war ausgehöhlt und mit Kunstharz versiegelt. Er beherbergte den größten Teil der menschlichen Population des Baums. Lange Wurzeln ragten in die obere Atmosphäre: Es gab Schaufeln, die Rohmaterial für stetiges Wachstum förderten und Kabel, bei denen es sich um Supraleiter handelte, wie Malenfant später erfuhr. Sie wurden durch die Magnetosphäre der Er-de gezogen und erzeugten so Energie.
Der Baum war ein zwanzig Kilometer langes lebendiges Ding, das in der Luft verwurzelt war, die Erde auf einer geneigten Kreisbahn umlief und die Lage durch orangefarbene Gasstöße stabilisierte.
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Das war lächerlich, sagte Malenfant sich und wandte sich desin-teressiert ab.
Er war zwölfhundert Jahre lang von der Erde weggewesen und ins unglaubliche Jahr 3265 zurückgekehrt.
Malenfant war erschöpft. Körperlich war er schließlich über hundert Jahre alt. Und wegen der abnehmenden Anzahl der Sattelpunkt-Verbindungen zwischen Null-Null-Null-Null und der Er-de war er gezwungen gewesen, bei der Rückkehr einen Umweg zu machen.
Im Grunde hatte er nur noch den Wunsch, der Fremdartigkeit des Universums zu entfliehen: Er wollte sich in sein altes Ranch-haus in Clear Lake zurückziehen, ein Bier zischen, Kartoffelchips futtern und sich das Twilight Zone- Video anschauen. Beim Anblick dieses driftenden Gestrüpps wusste er jedoch, dass das ein Ding der Unmöglichkeit war. Es war genauso, wie Dorothy Chaum ihm klarzumachen versucht hatte, bevor sie sich auf der Kanonenkugel verabschiedet hatten. Das war die Erde dort unten, aber es war nicht mehr seine Erde. Malenfant würde für den Rest seines un-glaublichen langen Lebens mit Fremden und in der Fremdartigkeit leben müssen.
Wenigstens ist das Eis wieder verschwunden, sagte er sich.
Seine ramponierte Kapsel kam zwischen den Ästen zur Ruhe, und Malenfant wurde ausgestoßen.
Es erschien niemand zu seiner Begrüßung. Er fand einen leeren Raum mit einem Fenster. Da rankten sich Blätter ums Fenster. An der Außenseite.
Lächerlich. Er schlief ein.
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Als Malenfant aufwachte, war er mit einer Art OP-Hemd bekleidet.
Er fühlte sich besser. Behaglich und sauber. Er war weder hungrig noch durstig. Er verspürte nicht einmal den Drang, Wasser zu lassen.
Er hob die Hand. Die Haut war verhältnismäßig glatt, und die
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