Das Multiversum 2 Raum
aus, der über den Zenit wanderte. Selbst mit bloßem Auge vermochte er den hellen Funken des Kerns zu erkennen und einen fiedrigen Schweif, der durchs Himmelszelt peitschte.
Kometen kamen von der Oort-Wolke. Er fragte sich, ob ein Zusammenhang bestand zwischen diesem leuchtenden Besucher, der durchs Herz des inneren Systems flog, und den funkelnden Lichtern und der Störung, die er im fernen Orion sah.
■
Am Morgen kroch er nackt aus der Kapsel.
Draußen stand ein Mann und starrte ihn an.
Malenfant schnappte nach Luft und verschränkte die Hände vorm Gemächt.
Der Mann – wahrscheinlich eher noch ein Junge – war groß und maß über zwei Meter. Er hatte eine kupferbraune Haut und blass-goldenes Haar, das so dicht war, dass es fast schon wie ein Pelz anmutete. Er hatte blaue Augen und Muskeln wie ein Athlet. Er trug eine Art Lendenschurz aus einem weißen Material, hatte einen le-derartigen Gürtel um die Hüfte und einen Beutel bei sich. Er war mit einer Reihe von Werkzeugen behängt, die allesamt aus Stein, Knochen oder Holz waren: Keile, Schaber, eine Axt und einen Hammer.
Er hatte einen dicken Hals wie ein Gewichtheber. Einen flachen länglichen Schädel mit einer Art Knochenkamm am Hinterkopf.
Brauenwülste und eine fliehende Stirn unter dem blonden Haar.
Einen starken vorspringenden Kiefer – aber kein Kinn –, kräftige Zähne, eine Stirnwulst und eine flache affenartige Nase. Er wirkte 470
auf Malenfant nicht wie ein Mensch. Aber er war trotzdem ein schönes Wesen und schaute Malenfant offen und ohne Arg an.
Dann grinste er Malenfant an und leerte den Beutel im Sand aus. Er enthielt Bananen, Süßkartoffeln und Eier. »Iss Essen hungrig, iss Essen«, sagte er. Die Stimme war hoch und undeutlich, die Konsonanten verwaschen.
Malenfant war perplex. Er stand nur mit großen Augen da.
Der Besucher faltete den Beutel zusammen, machte kehrt und rannte wie ein goldbrauner Schemen durch den Sand davon, wobei ›Freitag‹ eine deutliche Spur hinterließ.
Malenfant grunzte. »Erstkontakt«, sagte er zu sich selbst. Seine Neugier wurde immer größer.
Er ging zur Baumlinie, um sein morgendliches Geschäft zu verrichten, und kam dann zum Essen zurück. Das war mal was anderes als die immergleichen Früchte und Fische.
Er beschloss zu warten. Freitag und seine Kameraden trachteten ihm sicher nicht nach dem Leben. Trotzdem hielt er sich in nächster Nähe der Kapsel auf und behielt den Waldrand im Auge.
Er suchte nach Gegenständen, die er als Waffe zu benutzen vermochte. Unauffällig schichtete er einen Haufen größerer Steine auf, die er am Strand auflas.
Als die nächsten Besucher kamen, näherten sie sich vom See. Er hörte die Stimmen zuerst.
Sechs mit Männern und Frauen vollbesetzte Kanus kamen um die Spitze der Bucht gerudert. Malenfant schielte, um die neuen, verbesserten Augen zu fokussieren.
Die Besatzung schien sich aus Angehörigen aller Rassen zusam-menzusetzen, von Weißen bis zu Schwarzen. Malenfant erkannte ein paar schöne, goldhaarige Geschöpfe wie seinen Freitag. Und er sah jemanden, der wie ein Kommandant wirkte und in einem der Kanus stand. Er trug einen perlenbesetzten Kopfputz, der mit langen weißen Hahnenfedern verziert war und einen schneeweißen 471
langhaarigen Ziegenfellmantel. Um die Schultern lag eine rote Ro-be. Er machte auf Malenfant den Eindruck eines Steinzeitfürsten.
Aber er war gebeugt, als ob er krank wäre.
Mit leeren Händen ging Malenfant zum Strand hinunter, um sie zu empfangen.
Die Kanus schrammten über den Grund, und der Kommandant sprang heraus und lief barfuß durchs flache Wasser an Land. Malenfant sah, dass er stolperte; die Beine waren auf den Umfang von Baumstämmen angeschwollen. Sein Gesicht war schwarz verbrannt, und ein paar Haarbüschel sprossen wie Unkraut auf dem kahlen Kopf. Aber der Blick war wachsam und forschend.
Er streckte die Hand aus. Es roch nach verfaulter Haut, und Malenfant musste sich zusammenreißen, um nicht vor Ekel zu erbrechen. Für Malenfant schien es sich um einen Fall von Strahlenkrankheit im fortgeschrittenen Stadium zu handeln. Irgendetwas geht hier vor, sagte er sich.
Der Kommandant öffnete den Mund und hob zu sprechen an.
Die Lippen teilten sich mit einem leisen Schmatzen, und Malenfant sah, dass die Schleimhäute angeschwollen waren. Er sprach zu Malenfant in einer Sprache, die dieser nicht verstand. Vielleicht Suaheli oder Kiganda.
Malenfant hob die Hände. »Es tut mir Leid. Ich verstehe
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