Das Multiversum 2 Raum
Platanenhain und hatte die Form eines großen Zelts mit einem Vordach in Gestalt eines Säulengan-ges. Es hatte zwei Wohneinheiten. In der Nähe gab es drei kuppelförmige Hütten für Diener und Pferche für – wie man ihm sagte – seine Büffel und Ziegen.
Nützlich, sagte er sich.
Die Aussicht von hier war in der Tat ›kaiserlich‹. Eine in frühem Sommergrün leuchtende und in Sonnenlicht getauchte Landschaft fiel in Wellen weg. Eine frische Brise wehte vom großen Binnen-meer. Hie und da ragten einzelne kegelförmige Hügel aus der flachen Landschaft; sie muteten an wie riesige Tische auf einem grü-
nen Teppich. Dunkle gewundene Linien markierten den Verlauf tiefer baumbestandener Senken, die sich durch gewelltes Grasland zogen. In breiten Vertiefungen erkannte Malenfant Gärten und Kornfelder. In Richtung des Horizonts verschmolzen all diese Details mit dem blauen Himmel.
Es war eine Postkarten-Idylle, wie sie vor der Ankunft der Europäer existiert haben mochte. Aber er fragte sich, was diese Landschaft schon alles gesehen hatte, wie viel Blut und Tränen die Erde getränkt hatten, bevor die Narben der Kolonisierung verheilt waren.
Nicht dass das Land nicht erschlossen war – im Gegenteil: Hauptsächlich durch ein Netz aus Bewässerungskanälen, die von hier aus deutlich sichtbar waren. Die Anlage war auf ihre Art ein-484
drucksvoll. Malenfant fragte sich aber, wie der Kabaka und seine Vorgänger das geschafft hatten. So groß erschien die Bevölkerung ihm nämlich nicht, als dass sie in großer Zahl Arbeiter von den Feldern für diese Erdarbeiten abzustellen vermocht hätte.
Vielleicht hatten sie Aufrechte dafür herangezogen, wer auch immer sie waren.
So viel also zu der lauschigen Idylle, sagte er sich. Es hatte den Anschein, dass der Homo sap wieder unterwegs war, sich vermehrte und Flurschaden anrichtete und die Lasten seinen Mitmenschen und den anderen Mitgeschöpfen aufbürdete – wie gehabt.
In dieser ungeregelten Biosphäre, in der zu dichten, zu heißen und zu feuchten Luft hatte Malenfant Schwierigkeiten mit dem Einschlafen. Als er dann doch eingeschlummert war, wachte er wenig später verwirrt und mit einem Brummschädel wieder auf.
Es gab hier keinen Kaffee, weder koffeinfreien noch sonst welchen.
■
Am nächsten Nachmittag wurde Malenfant in den Palast geladen.
Die Katekiro – Nemoto – holte ihn ab. Offensichtlich hatte sie einen entsprechenden Auftrag erhalten. »Kommen Sie mit mir«, sagte sie kurz angebunden. Es war das erstemal, dass sie Malenfant direkt ansprach.
»Nemoto, ich weiß, dass Sie es sind. Und Sie haben mich auch wiedererkannt, nicht wahr?«
»Der Kabaka wartet.«
»Wie sind Sie überhaupt hierher gekommen? Wie lang sind Sie schon hier? Gibt es hier noch andere Reisende?«
Nemoto antwortete nicht.
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Sie näherten sich dem hohen inneren Zaun um den Palast selbst.
Er war heute nicht der einzige Besucher und stieß auf eine ganze Prozession. Die gemeinen Waganda durften diesen Punkt nicht übertreten, aber sie drängten sich an den Toren, unterhielten sich angeregt und versuchten, einen Blick hinter den Zaun zu werfen.
Es ertönte ein rollender Trommelwirbel, und das Tor wurde ge-
öffnet; und die ganze Schar, Häuptlinge, Soldaten, Bauern und drei Sternenreisende betraten eine Anlage aus mehreren Höfen.
Ein breiter Weg verlief an der Innenseite des Zauns, und in den vier Ecken des Zauns sprudelten diese spektakulären Fontänen fünfzehn Meter oder noch höher in die Luft. Das Wasser entsprang primitiven Lehmrohren, die im Boden unter dem Palast verlegt waren. Vielleicht waren Pumpen im Hügel verborgen.
Malenfant näherte sich einer der Quellen. Er streckte die Hand aus und tauchte sie ins Wasser – mein Gott, es war heiß, so heiß, dass er sich fast die Finger verbrühte –, und Nemoto zog seinen Arm zurück. Ihre Hand fühlte sich ledrig und warm an.
Die Trommeln wurden wieder gerührt. Sie durchschritten eine Reihe von Höfen, bis sie schließlich vor dem Palast standen.
Es war nur eine Grashütte. Aber sie war groß und geräumig, voller Licht und Luft. Malenfant, der unter anderem das Weiße Haus besucht hatte, war schon in schäbigeren Regierungsgebäuden gewesen.
Das Herz des Palastes war ein Empfangsraum. Dabei handelte es sich um eine schmale, etwa zwanzig Meter lange Halle, deren Decke von zwei Säulenreihen getragen wurde. Die Gänge waren mit Würdenträgern und Staatsbeamten gefüllt. An jeder Säule stand eine kaiserliche
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