Das Multiversum 2 Raum
Grashütten gekrönt, die von einem Staketenzaun eingegrenzt wurden. Dieses Dorf auf dem Hügel sei Rubaga, die Hauptstadt, sagte de Bonneville, und der Hügel selbst sei als Wanpambas Gruft bekannt. Malenfant empfand Rubaga als einen unheimlichen Ort, der nicht mit der üppigen grünen Landschaft harmonierte, die er beherrschte.
In der Mitte des Haufendorfs stand ein größeres Gebäude, bei dem es sich offensichtlich um den Kaiserpalast handelte. Auf Malenfant machte er den Eindruck einer Scheune. Um das Zentralgebäude schossen Strahlen von Fontänen in die Luft, wie Diamanten, die im Licht funkelten. Das mutete Malenfant seltsam an.
Fontänen? Woher kam der Druck für Springbrunnen?
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Breite Straßen zogen sich strahlenförmig die Hügelflanken herunter. Diese Avenuen verengten sich zu Wegen, die das Land durchzogen. Malenfant sah, dass der Verkehr auf diesen strahlenförmigen Straßen – Fußgänger und Ochsenkarren – gerichtet war.
Er führte nur zu ihr hin und von ihr weg.
Zwei breitere Straßen im Osten und Westen schienen sich in einem schlechteren Zustand zu befinden als der Rest; als ob sie Schwerlastverkehr zu bewältigen hätten. Die östliche Straße führte nicht den Hügel hinauf, sondern in einen Tunnel, der in den Hü-
gel gebohrt war. Sie schien dem Zweck zu dienen, Lieferungen für eine Mine im Hügel zu befördern oder Erz herauszuschaffen. Und wirklich sah er einen Konvoi schwerer abgedeckter Wagen, die von Büffeln gezogen über die östliche Straße rollten. Es erinnerte Malenfant an ein aus zwanzig Maultieren bestehendes Gespann, das Bauxit aus dem Death Valley transportierte.
Sie erklommen den Hügel auf einer der Avenuen mit rötlichem Lehmuntergrund. Die Straße war mit Schilfrohr eingezäunt.
Leute tummelten sich auf den Avenuen. Die Waganda trugen braune Gewänder oder weiße Kleider, wobei manche ein weißes Ziegenfell über dem braunen Gewand trugen und andere eine tur-banähnliche Kopfbedeckung aus Schnüren. Sie zeigten kaum Interesse an de Bonnevilles Reisegesellschaft. Offenbar war ein Reisender draußen in Usavara, in der Pampa, eine Attraktion, aber hier in der Hauptstadt waren alle viel zu cool, um ihnen Aufmerksamkeit zu widmen.
Zeichen der Zivilisation wie Fernsehantennen oder Cola-Auto-maten waren nirgends zu sehen. De Bonneville überraschte Malenfant aber mit der Information, dass die Leute hier bis zu 150 Jahre alt wurden.
»Wir sind zu den Sternen geflogen und zurückgekehrt. Rubaga mag primitiv wirken, aber der Eindruck täuscht. Wir leben auf der Rückseite eines tausendjährigen Fortschritts in Wissenschaft und 482
Technik. Einschließlich dessen, was wir von den Gaijin und anderen gekauft haben. Es ist unsichtbar – in die Struktur der Welt ein-gebunden –, aber es ist da. So sind zum Beispiel viele Krankheiten ausgerottet worden. Und dank der Gentechnik ist der Alterungs-prozess stark gebremst worden.«
»Was ist mit den Aufrechten?«
»Was?«
»Welche Lebenserwartung haben sie?«
De Bonneville wirkte irritiert. »Dreißig bis vierzig Jahre, glaube ich. Was spielt das aber für eine Rolle? Ich spreche vom Homo sapiens, Malenfant.«
Trotz de Bonnevilles Fortschrittsbeteuerungen erkannte Malenfant bald, dass es inmitten der gepflegten, gesunden und langlebi-gen Bürger auch solche gab, die längst nicht so gut aussahen. Diese Unreinen waren zwar anständig gekleidet. Aber sie alle – Mann, Frau und Kind – waren von Krankheiten und Behinderungen gezeichnet. Malenfant zählte die Symptome: Geschwollene Lippen, offene Wunden, und manche Leute hatten Köpfe wie Billardku-geln, an denen nur noch Haarbüschel hingen. Viele hatten schwarze Flecken im Gesicht und an den Händen. Bei manchen schien die Haut abzuschuppen, und andere hatten geschwollene Arme und Beine, sodass die Haut straff gespannt und glasig war.
Alles in allem die gleichen Symptome wie bei Pierre de Bonneville.
De Bonneville verzog das Gesicht beim Anblick seiner Leidensge-nossen. »Der Hauch von Kimera«, zischte er. »Eine schreckliche Sache, Malenfant.« Mehr sagte er nicht dazu.
Während diese Unglücklichen sich durch die Menge bewegten, wichen die anderen Waganda vor ihnen zurück und vermieden es sogar, die Unreinen auch nur anzuschauen.
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Sie erreichten den Schilfrohrzaun, der das Dorf auf dem Hügel eingrenzte. Sie gingen durch ein Tor und betraten den zentralen Bereich.
Malenfant wurde zu dem Haus geführt, das man ihm zugeteilt hatte. Es stand mitten in einem
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