Das Multiversum 2 Raum
Christenheit. Aber diese Diskussion findet schon viel länger statt. Wir scheinen geglaubt zu haben, dass es Leben im Weltall gab, lang bevor wir wussten, was das Weltall überhaupt ist …
Diese Eingebung scheint ein Ausdruck unsrer tiefen Verwurzelung im Universum zu sein; wenn der Kosmos uns erschaffen hat, vermochte er sicher auch andere Intelligenzen zu erschaffen. Wussten Sie eigentlich, dass der Heilige Augustinus schon im sechsten Jahrhundert über Außerirdische spekuliert hat?«
»Tatsächlich?«
»Augustinus kam zu dem Schluss, dass sie nicht existieren können. Sonst hätten sie nämlich der Erlösung bedurft – eines eigenen Christus. Damit wäre aber die Einzigartigkeit Christi infrage gestellt worden, was unmöglich ist. Mit solchen theologischen Problemen schlagen wir uns bis heute herum … Sie dürfen ruhig lachen, wenn Ihnen danach zumute ist.«
Xenia schüttelte den Kopf. »Die Vorstellung, dass wir ins All fliegen und die Gaijin zu bekehren versuchen, mutet schon seltsam an.«
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»Aber wir wissen nicht, weshalb sie hier sind«, gab Dorothy zu bedenken. »Wäre die Suche nach der Wahrheit denn kein triftiger Grund?«
»Und nun sind Sie gekommen, um den BDB zu segnen«, sagte Xenia.
»Nicht ganz. Vielleicht haben Sie das schon getan, indem Sie ihn nach Giordano Bruno benannt haben. Ich unterstelle, dass Sie wissen, wer er war.«
»Natürlich.« Der erste Denker, der so etwas wie die moderne Vorstellung von einer Pluralität der Welten ausgedrückt hatte – Planeten, die Sonnen umkreisen und zum großen Teil von Wesen bevölkert sind, die mehr oder weniger Menschen gleichen. Frühere Denker auf anderen Welten hatten sich parallele Versionen von Dantes Inferno -Westentaschen-Universum vorgestellt, das um eine stationäre Erde zentriert war. »Man muss sich andere Welten erst einmal vorstellen, ehe man eine Reise dorthin plant.«
»Es gab aber schon jemanden vor Bruno«, sagte Dorothy. »Einen Kardinal, den wir als Nikolaus von Kues kennen und der im fünf-zehnten Jahrhundert lebte …«
Xenia empfand Dorothys belehrenden Ton als unangebracht und wurde ungeduldig. »Wer auch immer seine Vorgänger waren, Bruno wurde von der Kirche wegen Häresie umgebracht.«
»Er wurde 1600 wegen eines mystischen Angriffs auf die Kirche auf dem Scheiterhaufen verbrannt«, sagte Dorothy, »nicht wegen seiner Reden über Außerirdische. Nicht einmal weil er Kopernikus verteidigt hatte.«
»Und das macht es etwa besser?«
Dorothy musterte sie stumm.
Schließlich löste die Gruppe der ›Techno-Jünger‹ sich auf.
»… Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich Sie bewun-dere, Oberst Malenfant«, sagte Frank gerade. »Ich bin zwanzig Jah-46
re jünger als Sie. Aber ich habe Sie mir in jeder Hinsicht zum Vorbild genommen.«
Malenfant beäugte ihn skeptisch. »Dann müsste ich schon in der Hölle schmoren.«
»Nein, das ist mein Ernst. Sie haben eine Firma namens Bootstrap gegründet. Sie hatten Pläne für die Ausbeutung der Asteroiden.«
»Es hat aber nicht funktioniert. Ich war ein lausiger Geschäftsmann. Und als ich meine Frau verlor …«
»Sicher, aber Sie hatten die richtige Idee. Wenn das nicht gewesen wäre …«
Malenfant schaute sehnsüchtig aufs BDB-Modell. »Wenn das nicht gewesen wäre, wenn das Universum eine andere Gestalt hätte – ja, dann hätte ich vielleicht all das getan. Und wer weiß, was ich gefunden hätte?«
Das Schweigen zog sich in die Länge. Xenia fiel auf, dass Dorothy die Stirn runzelte, als sie Malenfants umwölkte und betrübte Miene betrachtete.
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kapitel 3
DEBATTEN
Es vergingen über vier Jahre, bis Malenfant Frank J. Paulis wieder-sah.
Im Jahr 2029 wurde Malenfant ins Smithsonian in Washington eingeladen, um als Gast dem Jahrestreffen der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften beizuwohnen – oder zumindest einem Teilbereich der Wissenschaft, die vom SETI-Institut unterstützt wurde, einer privat finanzierten Gruppe mit Sitz in Colorado. Sie widmete sich dem Studium der Gaijin, der Suche nach außerirdischer Intelligenz und anderen schönen Dingen.
Trotz des Themas der Konferenz war Malenfant nur zögernd der Einladung gefolgt.
Er mied seit einiger Zeit Auftritte in der Öffentlichkeit. Während Paulis' Robotsonde sich zielstrebig von der Erde entfernte, schlug die unwillkommene Bekanntheit, die er vor neun Jahren erlangt hatte, wieder durch. Er bezeichnete es als das Buzz Aldrin-Syndrom: Aber Sie sind doch dort
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