Das Multiversum 2 Raum
der Schwefel zischte. Mit dieser Situation war der Zauberanzug offenbar überfordert.
Er lachte. Dann war das die Endstation. Wenigstens hatte er die Antwort gefunden. Einen Teil zumindest.
Es gab schlimmere Tode.
Der Schwefel schlug über ihm zusammen, und der Schmerz wurde unerträglich.
Aber er spürte eine starke Hand im Genick …
■
Danach nur Bruchstücke:
Lag auf dem Rücken. Spürte gar nichts.
Sterne über sich. Springendes Blickfeld. Ein Auge funktionierte noch? Wurde getragen?
Wände um ihn herum, aufgehoben, ein Kreis aus Gesichtern mit buschigen Brauen.
… Oh. Ein Grab. Er war nun der alte Zerstörer. Er wollte lachen, aber alle Körperfunktionen schienen lahmgelegt zu sein.
Ein schwarzer Regen über ihm. Dreck. Er fiel ihm auf die Brust und ins Gesicht. Schmerz durchfuhr ihn, als das rohe Fleisch getroffen wurde. Da arbeiteten Hände über ihm, große starke Hände wie Bratpfannen, die ihn mit Dreck überhäuften. Valentinas Hän-de und andere.
Der Dreck geriet ihm in die Augen und in den Mund. Er schmeckte nach Bleiche.
Ich bin am Leben. Sie begraben mich bei lebendigem Leib!
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Er wollte schreien, aber der Mund war mit Dreck verstopft. Er versuchte aufzustehen, aber er hatte keine Kraft in den Gliedern, als ob er gefesselt wäre.
Der Dreck regnete ihm ins Gesicht, ein schwarzer schwefliger Hagel. Er vermochte sich nicht zu rühren.
Da war etwas am Rand des Blickfelds. Ein metallisches Funkeln.
Ein Blitz aus xenonblauem Licht.
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kapitel 28
WIR MENSCHEN KAMEN
VON DER ERDE
Noch vor der Morgendämmerung trat Xenia Makarova aus ihrem Haus in silbriges Licht. Die Atemluft kristallisierte vorm Gesicht, und die eisige Kälte des Monds fraß sich durch die Haut in die spindeldürren Knochen.
Das silbergraue Licht stammte von der Erde und dem Spiegel am Himmel: Zwillingssphären, die eine aus milchigen Wolken bestehend, die andere eine kleine Sonne. Aber das Licht war dennoch nicht so hell, als dass sie nicht die veränderten, kolonisierten Sterne gesehen hätte und die trüberen Schweife der Kometen, die in schneller Folge durchs innere System jagten – Echos des apokalyptischen Krieges, der am Rand des Sonnensystems tobte.
Und jenseits der Kometen loderte noch immer die neue Supernova – das tödliche Erblühen des Sterns, dem die Astronomen den Namen Phi Cassiopeiae gegeben hatten – so hell wie die Venus, auch wenn das Leuchten schon schwächer wurde. Als Xenia geboren wurde, wäre ein solches Schauspiel, eine nur neun Lichtjahre entfernte Supernova ein Quell großen wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses gewesen. Aber nicht heute, nicht im Jahr A.D. 3480.
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Nun wuchtete die Sonne selbst sich über den Horizont und überstrahlte sogar die Supernova. Lichtperlen wie gefangene Sterne markierten die Gipfel von Tychos Randbergen, und ein dunkles, blutiges Rot färbte den Himmel. Fast die ganze Luft in diesem Himmel war von den großen Paulis-Minen im Herzen des Mondes verbraucht worden. Doch nun waren die Minen geschlossen und der Kern des Mondes ausgebeutet, und vor dem geistigen Au-ge sah sie den Deckel des Himmels, unter dem die Luft des Mondes über ein Jahrtausend ins All entwichen war.
Sie ging den Weg entlang, der zum kreisförmigen Meer führte.
Der Untergrund war natürlich mit Frost überzogen, aber der Mondboden, der in ihrer Jugend liebevoll geharkt worden war, bot ihr einen sicheren Tritt. Das Wasser des Meeres war schwarz und ölig und schlappte leise ans Ufer. Weiter draußen sah sie den grauen Schimmer von Packeis, aber der größte Teil des Meers lag hinter dem nahen Horizont und entzog sich ihrem Blick. Das Sonnenlicht streckte seine Finger übers Eis aus, und grau-goldener Dunst schwebte über dem Wasser.
Das Heben und Senken des Eises auf dem Meer wurde von einem ständigen Stöhnen und Knacken begleitet. Das Wasser gefror nicht an Tychos Rand, und das Eis taute nicht in der Mitte, sodass eine mächtige Eisscheibe um die Zentralberge driftete. Es war, als ob der Rand dieses künstlichen Meeres den eisfreien Meeren der Erde nacheiferte, die seine Schöpfer hervorgebracht hatten.
Sie glaubte ein Bellen draußen auf dem Packeis zu hören. Vielleicht war es eine Robbe. Und eine Glocke läutete: Ein Fischer-boot, das im Morgengrauen aus dem Hafen auslief. Das volltönende, tröstliche Geräusch trug weit durch die stille dichte Luft. Sie hielt Ausschau nach den Lichtern des Bootes, aber ihre wässrigen Augen, in die die Kälte stach, ließen sie
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