Das Multiversum 2 Raum
dringt zum Beispiel nicht bis in jeden Winkel des Orion-Spiralarms. Wir bewegen uns durch das so genannte ICM – das Zwischenwolken-Medium. Keine idealen Ein-satzbedingungen für ein Staustrahltriebwerk. Nur dass die Blumen-schiffe gar keine interstellaren Raumschiffe sind.« Sie beäugte Maura. »Sie wirken überrascht. Liegt das aber nicht auf der Hand?
Diese Schiffe würden mit ihrer Reisegeschwindigkeit, die nur einen geringen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit ausmacht, schon viele Jahrzehnte brauchen, bloß um Alpha Centauri zu erreichen.«
»Aber die Zeitdilatation«, sagte Maura. »Der verlangsamte Zeit-ablauf bei relativistischen Geschwindigkeiten …«
Nemoto schüttelte den Kopf. »Zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit sind viel zu langsam, als dass solche Effekte signifikant greifen würden. Die Blumen-Schiffe sind interplanetare Kreuzer, die für Reisen deutlich unterhalb der Lichtgeschwindigkeit ausgelegt sind, und zwar im relativ dichten Medium in der Nähe eines Sterns. Die Gaijin sind interplanetare Reisende und nur durch Zufall interstellare Pioniere geworden.«
»Und wie sind sie dann hierher gekommen?«, fragte Maura.
Nemoto lächelte. »Auf die gleiche Art, wie Malenfant das System verlassen hat.«
»Spucken Sie's aus.«
»Teleportation.«
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106
Maura hatte Sally Brind hierher mitgenommen, weil sie in dem vollen Jahr, das seit Malenfants Verschwinden bereits vergangen war, frustriert und sogar besorgt geworden war: Ein Jahr, in dem sich nichts getan hatte.
Am Verhalten der Gaijin hatte sich offensichtlich nichts geändert. Die ganze Sache war längst aus dem Gedächtnis des Großteils der Öffentlichkeit und der Kommentatoren gelöscht worden, die Malenfants bemerkenswerte Reise nur als ein weiteres Kapitel einer langen und öden Saga abgetan hatten, die sich bereits über Jahrzehnte hinzog. Die Philosophen indes debattierten noch immer über die Bedeutung der Gaijin für die menschliche Existenz und redeten sich die Köpfe heiß. Das Militär erging sich wie immer in Sandkastenspielen und entwarf verschiedene bizarre Szenarien, die überwiegend darauf hinausliefen, dass die Gaijin die Erde und den Mond angriffen und riesige Blumen-Schiffe Brocken aus Asteroiden-Gestein auf die wehrlosen Welten schleuderten.
Die nationalen Regierungen und andere zuständige Behörden sa-
ßen die Sache derweil aus.
Es gab noch immer zu wenig Fakten, und es wurden schneller Fragen gestellt, als man sie zu beantworten vermochte. Die menschliche Vorstellung dieser fremden Eindringlinge wurde noch immer eher durch alte Klischees bedient als durch harte wissenschaftliche Fakten. Maura nahm betrübt zur Kenntnis, dass sich kein einheitliches Bild ergab, was wiederum eine vernünftige Herangehensweise an das Gaijin-Problem unmöglich machte.
Weshalb sie dieses Treffen auch anberaumt hatte. Nemoto hatte die Gaijin schließlich entdeckt – die Weiterungen dieser Entdeckung waren ihr sofort bewusst geworden –, und dann hatte sie sich die einzige Person, Reid Malenfant, ausgesucht, die im Rück-blick fähig war, diese Entdeckung der Welt zu präsentieren und darüber hinaus eigene Initiative zu entwickeln.
107
Wenn jemand Maura zu helfen vermochte, sich im Dschungel der zukünftigen Möglichkeiten zu orientieren, dann war es sicher Nemoto.
Aber gleich Teleportation?
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Maura schloss die Augen. Dann muss ich es mir also so vorstellen, dass diese Gaijin sich wie E-Mails von einem Stern zum andern selbst verschicken. Sie unterdrückte ein blödes Gackern.
Nemoto war derweil mit ihren Gerätschaften und Pflanzen zugange.
»Damit wir wissen, wovon wir sprechen«, sagte Sally Brind langsam. »Sie glauben, der Reif, den Malenfant gefunden hat, war eine Art Teleportations-Relais. Wieso hat man dieses – Tor – dann nicht im Asteroidengürtel stationiert? Wieso hat man es dort drau-
ßen am Rand des Systems deponiert, mit dem ganzen Aufwand und den Unannehmlichkeiten, die es verursacht …?«
Nemoto blieb ihr die Antwort schuldig. Sie sagte sich wohl, dass die junge Frau doch selbst darauf kommen solle.
Sally schnippte mit dem Finger. »Bei der Teleportation von einem andern Stern muss ein Strom komplexer Information über konventionelle Nachrichtenkanäle – das heißt, Licht-oder Funk-wellen – zum Ziel, dem Sonnensystem geschickt werden. Und der Ort, an dem man diese Signale mit größter Präzision empfängt, ist der Sonnenbrennpunkt des Sterns, wo das Signal hundertmillio-nenfach verstärkt
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