Das Multiversum 2 Raum
herbeizu-führen und Politik zu gestalten. Doch nun war die Zeit gekommen, dass sie sich aus dem aktiven Dienst zurückzog. Sie ging in ihre alte Heimat zurück, in eine Kleinstadt namens Blue Lake im Norden Iowas – ihrem alten Staat, dem Herzen des Mittleren Westens.
Ihr Einfluss war dahin. Zu verdammt alt.
Ich habe keine Jahrzehnte mehr. Ich habe nicht mehr die Kraft, wie Nemoto am Leben zu bleiben und zu warten, während die Dinge im Universum ihren Lauf nehmen. Für mich ist die Geschichte hier zu Ende. Du musst nun allein zurechtkommen, Malenfant.
Viel Glück!
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kapitel 7
EMPFANG
Das blaue Licht verblasste.
Er wurde sich bewusst, dass er den Atem angehalten hatte. Er stieß die Luft langsam aus, was ihm Schmerzen in der Brust verursachte. Krampfhaft umklammerte er die Handregler der MMU
und krümmte die Hände in den steifen Handschuhen.
Das blaue Artefakt, das über ihm aufragte, war wieder zur Ruhe gekommen. Er sah keinen Unterschied zum vorherigen Zustand; das Sonnenlicht wurde von der polierten Oberfläche reflektiert und warf einen doppelten Schatten …
Einen doppelten?
Er schaute zur Sonne auf und klappte das goldene Visier herunter.
Die Sonne wirkte etwas heller und leuchtete in einem kräftigen Gelbweiß. Und es waren nun zwei Stecknadelköpfe, zwei Juwelen auf einer samtenen Unterlage. Das Licht war so hell, dass es ihm in die Augen stach, und als er den Blick abwandte, tanzten winzige Doppelpunkte auf der Netzhaut, wie Sterne in einer roten Dunstwolke.
Es war natürlich nicht die Sonne. Es war ein Doppelstern-System. Um die Zwillingssterne zog sich eine dunstige diskusförmige Scheibe: Eine Wolke aus Planetenmaterial, Asteroiden und Kome-115
ten – ein komplexes inneres System, das vom Licht eines doppelten Sterns erhellt wurde. Selbst aus dieser Entfernung sah er, dass dieser Lichtklecks ein Ort war, an dem geschäftiges Treiben herrschte.
Er betätigte den Regler und drehte sich. Hinter dem Tor war nichts – die Perry war verschwunden.
Nein. Nicht verschwunden. Nur ein paar Lichtjahre entfernt ge-parkt.
Er hatte keine Ahnung, wie das Artefakt dieses Wunder bewirkt hatte. Es war ihm aber auch egal. Es war ein Tor – und es hatte funktioniert und ihn zu den Sternen gebracht.
Ja, aber wohin, zum Teufel, Malenfant?
Er ließ den Blick über den Himmel schweifen und sah einen Sternenteppich, der die vertrauten Sternbilder überlagerte.
Nach einiger Zeit fand er den Orion-Gürtel und den Rest dieser eindrucksvollen Konstellation. Der Schütze wirkte unverändert, soweit er sah. Orions Sterne waren über einen Raum mit einer Sei-tenlänge von tausend Lichtjahren verteilt, wobei der nächste dieser Sterne – Beteigeuze oder vielleicht Bellatrix, er erinnerte sich nicht mehr – mindestens fünfhundert Lichtjahre von der Sonne entfernt war.
Daraus zog er seine Schlüsse. Bei der Bewegung über interstellare Entfernungen verschob die Perspektive sich derart, dass die Sternbilder verzerrt wurden und das Licht der über den Himmel verteilten Sterne ineinander floss wie die Lichter eines Hafens, dem man sich näherte. Er konnte also keinen allzu weiten Sprung gemacht haben, jedenfalls nicht im Maßstab der Entfernungen zu Orions riesigen Sonnen: Ein paar Lichtjahre, nicht mehr.
Und nachdem er sich dessen vergewissert hatte, wusste er auch, wo er war. Es gab nur ein System wie dieses – mit zwei eng ver-bundenen Sternen vom Sol-Typ – in der unmittelbaren Nachbar-schaft der Sonne. Er war hier im System Alpha Centauri, das nicht 116
mehr als plus minus vier Lichtjahre von Sol entfernt war. Genauso, wie er es erwartet hatte.
Alpha Centauri: Der Traum von Jahrhunderten, der nächste Hafen nach Pluto – ein Name, der in hundert Raumschiffs-Studien widergehallt hatte, in tausend Träumen. Und hier war er nun, bei Gott. Er grinste triumphierend.
Dann schwenkte er mit Stößen der Steuertriebwerke herum und suchte den Himmel ab, bis er eine andere Konstellation fand; ein deutliches, unverkennbares W, das von fünf hellen Sternen gebildet wurde. Es war Kassiopeia, die er schon von den astronomischen Beobachtungen der Kindheit kannte. Doch nun wurde dieses Muster um einen Stern zur Linken erweitert, der die Konstellation in ein Zickzack-Muster verwandelte. Und über die Identität des neuen Sterns war er sich auch im Klaren.
Malenfant, der am Rand von Alpha Centauri in der endlosen Weite des Alls hing, schaute auf die Sonne.
Die Sonne ist ein Stern – auch nur ein Stern. Giordano
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