Das Multiversum 2 Raum
wenn Sie wüssten, dass Sie sich wieder einschalten könnten?«
Madeleine zögerte. »Ich glaube nicht.«
»Und wieso nicht?«
»Weil ich nicht wüsste, ob ich nach dem anschließenden Hochfahren noch ich selbst bin.«
Chaum seufzte. »Für die Gaijin scheint das aber kein Problem zu sein. Sie wundern sich sogar über unser großes Gehirn. Madeleine, das Gehirn ist ständig aktiv. Es macht nie Pause, nicht einmal im Schlaf. Es hat den Energiebedarf einer Glühlampe, was stark an den Ressourcen des Körpers zehrt. Deshalb sind wir seit den Tagen des Homo erectus auch Fleischfresser.«
»Ohne das Gehirn wären wir aber nicht wir selbst«, wandte Madeleine ein.
»Sicher«, sagte Chaum. »Aber wir zu sein scheint für die Gaijin ein Luxus zu sein.«
»Ms. Chaum, was wollen Sie von ihnen?«
Frank Paulis lachte laut. »Sie will wissen, ob es einen Gaijin-Jesus gab. Stimmt's?«
Chaum lächelte nur. »Die Gaijin scheinen von unseren Religio-nen fasziniert zu sein.«
»Und haben sie denn eine Religion?«, fragte Madeleine gespannt.
»Das wissen wir nicht. Sie geben nicht viel von sich preis.«
»Das ist auch kein Wunder«, sagte Paulis griesgrämig.
»Sie sind sehr analytisch«, sagte Chaum. »Sie scheinen unsre Denkweise für pathologisch zu halten. Wir verbreiten Ideen – richtige und falsche, nützliche und schädliche – wie eine Geisteskrank-heit.«
Brind nickte. »Das ist das alte Konzept des Mems.«
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»Ja«, sagte Chaum. »Eine überaus zynische Sichtweise der menschlichen Kultur.«
»Und haben Ihre guten katholischen Meme die Rassenschranke zu den Gaijin bereits überwunden?«, fragte Paulis trocken.
»Nicht dass ich wüsste«, sagte Dorothy Chaum. »Sie denken sehr strukturiert. Sie erweitern ihr Wissen Stück für Stück und testen jedes neue Element – wozu unsere Wissenschaftler ebenfalls ausgebildet werden. Vielleicht ist ihr Bewusstsein auch organisiert, sodass sie in der Lage sind, unsre Meme zu integrieren. Vielleicht haben sie auch ihre eigenen Meme, die so stark sind, dass sie unsere schwachen Vorstellungen von Eindringlingen abwehren. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, was die Gaijin mit unsren Antworten auf die großen Fragen des Lebens anfangen. Sie scheint lediglich zu interessieren, ob wir überhaupt Antworten haben. Ich glaube nicht, dass sie …«
»Sie scheinen enttäuscht von dem, was Sie herausgefunden haben«, sagte Madeleine.
»Vielleicht bin ich das«, sagte Chaum langsam. »Als Kind hatte ich immer von einer Begegnung mit den Außerirdischen geträumt: Ich war gespannt auf die wissenschaftlichen und philosophischen Einsichten, die sie mir vermitteln würden. Nun, diese Gaijin scheinen eine Lebensform zu sein, die mindestens ein paar Millionen Jahre älter ist als wir. In kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht haben sie uns aber kaum etwas voraus.«
Madeleine wurde diese ernste, nachdenkliche Frau immer sympathischer. »Vielleicht werden wir die wirklich intelligenten Lebensformen dort draußen zwischen den Sternen finden. Vielleicht sind sie schon unterwegs.«
Chaum lächelte. »Ich beneide Sie um die Möglichkeit, sie mit eigenen Augen zu sehen. Doch selbst wenn wir solche wunderbaren Wesen fänden, wäre das Ergebnis vielleicht niederschmetternd für uns.«
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»Wieso denn das?«
»Gott wirkt durch uns und unseren Fortschritt«, sagte sie. »Zumindest ist das Bestandteil des christlichen Glaubens. Aber was, wenn unsere spirituelle Entwicklung der der Aliens weit hinterher-hinkt? Vielleicht erstrahlt Er woanders in einem Glanz, vor dem wir erblassen.«
»Und auf uns käme es dann gar nicht mehr an.«
»Jedenfalls nicht für Gott. Und für uns selbst vielleicht auch nicht mehr.«
Sie wandten sich von den enttäuschenden Aliens ab und traten hinaus in die Sonne Kefallonias.
Später nahm Frank Paulis Madeleine auf die Seite.
»Genug von dem Scheiß«, sagte er. »Reden wir über das Geschäft. Sie machen einen Zeitsprung von sechsunddreißig Jahren.
Wenn Sie schlau sind, machen Sie sich das zunutze.«
»Und wie?«
»Zins und Zinseszins«, sagte er.
Madeleine lachte. Nach ihrer Begegnung der ›dritten Art‹ fand sie Paulis' finanzielle Kalkulationen lächerlich. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Sicher. Denken Sie mal nach. Investieren Sie möglichst viel von Ihrem Honorar. Schließlich brauchen Sie das Geld nicht, solang Sie weg sind. Bei vorsichtig kalkulierten fünf Prozent verfünffacht Ihre Einlage sich in sechsunddreißig Jahren. Und wenn
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