Das Multiversum 2 Raum
Computer gegeben, mit dem sie imstande war, bis zu einem gewissen Grad mit den Gaijin-Gastgebern zu kommunizieren. Es war ein Bioprozessor in einer kubischen Hülle. Er war ein High Tech-Produkt, der einzige Ent-wicklungsbereich, in den sie hohe Summen von Paulis' Geld investiert hatte. Und es war menschliche Technik, nicht etwa ein Gaijin-Produkt. Madeleine war fasziniert. Sie verbrachte viel Zeit damit, sich mit den Merkmalen des Biopros vertraut zu machen.
Er basierte auf Ampiphilen, langen Molekülen mit wässrigen Köpfen und öligen Enden, die in Schichten mit der Bezeichnung Langmuir-Blodgett-Film schwammen. Die aktiven Moleküle ver-netzten sich durch schwache Wechselwirkungen – Wasserstoffbrü-
cken, van der Waals-Kräfte und hydrophobe Erkennung – zu einer dreidimensionalen Struktur und bildeten supramolekulare Gitter aus Millionen Molekülen.
Die Beschäftigung mit dem Biopro war auf jeden Fall besser als darüber zu sinnieren, in welcher Lage sie sich befand und wohin sie unterwegs war.
Allerdings war sie nicht sehr begeistert, als sie nach dem ersten Booten feststellte, dass die Design-Metapher der menschlichen Schnittstelle eine zweidimensionale virtuelle Darstellung von Frank Paulis' wettergegerbtem Gesicht war.
»Paulis, Sie egoistischer Bastard.«
»Ich wollte doch nur, dass Sie sich wie zu Hause fühlen.« Das Bild flimmerte leicht, und das Gesicht war ›grobporig‹ – offen-164
sichtlich digital erzeugt. Es stellte sich heraus, dass der Projektion von Frank Paulis ein komplexes interaktives und heuristisches Programm zugrunde lag. Sie war imstande, auf Madeleines Äußerungen zu reagieren, zu lernen und in gewisser Weise zu wachsen.
Sie würde eine Art Begleiter sein.
»Stehen Sie in Kontakt mit den Gaijin?«
Er zögerte. »Ja. In gewisser Weise. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten. In der Zwischenzeit sollten Sie sich am besten in die Materie einarbeiten.«
Er lud eine Art Checkliste herunter, die aus einem uralten Fern-schreiber ratterte.
»Sie machen wohl Witze.«
»Sie müssen sich gründlich mit der Ausrüstung vertraut machen«, sagte der virtuelle Paulis.
»Toll. Und soll ich mich auch mit Neutronensternen und Gam-mastrahlern befassen, was auch immer das sind?«
»Nicht unbedingt. Ich möchte Ihre instinktiven Reaktionen sehen. Wenn Sie mit zu viel Wissen belastet sind, verengt das Ihre Wahrnehmung. Bedenken Sie, dass Sie im Auftrag der Menschheit beobachten. Wir werden vielleicht keine zweite Chance bekommen. Nun gut. Vielleicht sollten wir mit dem Aufbau des Spektroheliographen anfangen …«
Als sie wieder über die funkelnde Ostküste von Nordamerika hinwegflog, wurde sie vom Gaijin-Schiff erwartet.
Im Erdorbit wirkten die Blumen-Schiffe der Gaijin nicht so spektakulär. Sie waren einen Kilometer lange, silberne Schiffe mit der annähernden Form eines Kalmars: Mit einem großen Hauptabschnitt als ›Kopf‹, der ein Bündel Tentakel nachzog.
Zwölfflächige silberne, unidentifizierbare Gebilde hingen an den Kabeln und drängten sich um Madeleines Raumkapsel. Das Schiff wurde von den silbrigen Seilen eingewickelt, bis ihr Blickfeld von einem Geflecht aus glänzenden Strängen überlagert wurde und sie 165
ein Teil der Struktur des Gaijin-Schiffs geworden war. Sie verspürte eine klaustrophobische Beklemmung, als sie mit dem fremden Raumschiff verflochten wurde. Wie hatte Malenfant das nur ausgehalten?
Dann entfaltete das Blumen-Schiff die Schwingen. Sie formten sich zu einem elektromagnetischen Schlund mit einer Breite von tausend Kilometern. Ein Funkenregen stob auf, als die Unterkante des Ansaugstutzens den Rand der Erdatmosphäre touchierte.
Madeleine atmete stoßweise. Das ist real, sagte sie sich. Diese verrückten Aliens werden das wirklich tun. Und ich stecke mitten-drin.
Sie kämpfte gegen Panik an.
Nach ein paar immer weiteren Schleifen um den Planeten verließ Madeleine den Erdorbit und flog einem unbekannten Ziel entgegen.
■
Das von interplanetarem Wasserstoff angetriebene Blumen-Schiff benötigte hundertachtundneunzig Tage, um den achthundert AE
von der Sonne entfernten Sattelpunkt des Gammastrahlers zu erreichen.
Sattelpunkt-Tore zerstören systembedingt die Objekte, die sie transportieren.
Achtzehn Jahre wanderte ein Signal durchs All zu einem Empfänger-Tor, das im System des Gammastrahl-Neutronensterns stationiert war. Achtzehn Jahre lang existierte Madeleine nicht. Sie war im Grunde tot (aber nicht amtlich).
Und so flog Madeleine
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