Das Multiversum 2 Raum
stürmte in Nemotos Büro.
Nemoto war beschäftigt; der Start einer Ariane stand unmittelbar bevor. Sie warf einen Blick auf den Verband um Madeleines Hand. »Sie sollten besser aufpassen.«
»Es gibt eine Möglichkeit, die Diskontinuität umzukehren, nicht wahr?«
»Oh.« Nemoto stand auf und schaute aus dem Fenster aufs Modell der Ariane. Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken und versteifte sich. »Dieser kleine Klugscheißer. Setzen Sie sich, Madeleine.«
»Stimmt's etwa nicht?«
»Ich sagte hinsetzen.«
Madeleine gehorchte. Sie hatte Mühe, auf Nemotos Bürostuhl eine bequeme Position zu finden.
260
»Ja, es gibt eine Möglichkeit«, sagte Nemoto. »Wenn man vor dem Durchgang durch ein Tor richtig eingestellt wird, ist es möglich, die Translation für die Umkehrung des Diskontinuitäten-Schadens zu nutzen.«
»Wieso machen Sie dann ein Geheimnis daraus?«, fragte Madeleine. »Schicken Sie mich zu einem Sattelpunkt«, sagte sie dann.
Nemoto schaute Madeleine mit ihrem maskenhaften Gesicht an.
»Sind Sie sicher, dass Sie das zurückhaben wollen? Den Schmerz, die Pein des Menschseins …«
»Ja.«
Nemoto drehte sich um und setzte sich. Sie legte die Hände auf den Tisch, wobei die Finger wie verschachtelte Zweige aussahen.
»Sie müssen die Situation begreifen, in der wir sind«, sagte sie.
»Die meisten von uns schlafen. Aber ein paar von uns glauben, dass wir uns im Krieg befinden.« Sie meinte natürlich die Gaijin und ihre großen Gürtel-Städte, ihre weiträumigen Vorstöße ins innere Sonnensystem – und die anderen Migranten, die ihnen folgten. Zwar waren sie noch Jahrzehnte oder Jahrhunderte entfernt, aber sie waren auf dem Weg und veränderten die Gestalt des Spiralarms. »Sie müssen das sehen – Sie, wenn Sie von Ihren Reisen zu den Sternen zurückkehren. Aber alle anderen sind so beschäftigt, zu beschäftigt mit kurzfristigen Dingen, dass sie nicht die langfristige Entwicklung sehen. Außer uns, Madeleine; außer uns, die wir in der Zeit gestrandet sind.«
Bei Madeleine fiel der Groschen. »Aha. Deshalb halten Sie das Heilmittel geheim.«
»Sehen Sie, weshalb wir das tun müssen, Meacher? Wir müssen uns jede Option offen halten. Wir brauchen vielleicht Soldaten – Krieger –, die keinen Schmerz kennen …«
»Und die kein Bewusstsein haben.«
»Vielleicht. Falls das überhaupt erforderlich ist.«
261
Madeleine war angewidert. Die Diskontinuität war nämlich nicht weniger als die Umstrukturierung des Bewusstseins durch die Sattelpunkt-Transitionen. Typisch menschlich, diese erstaunliche Erfahrung in eine Waffe umzuschmieden. Geradezu ungeheuer-lich.
Sie lehnte sich zurück. »Schicken Sie mich durch einen Sattelpunkt.«
»Oder?«
»Oder ich gehe an die Öffentlichkeit und verkünde, dass Sie ein Heilmittel für die Diskontinuität zurückhalten.«
Nemoto ließ sich das durch den Kopf gehen. »Das ist ein zu ernstes Thema, um einen Kuhhandel mit Ihresgleichen zu machen.
Aber ich schlage Ihnen einen Kompromiss vor«, sagte sie.
»Einen Kompromiss?«
»Ich werde Sie zu einem Sattelpunkt schicken. Und danach fliegen Sie mit den Aborigines zum Triton. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Kolonie ein Erfolg wird.«
Madeleine schüttelte den Kopf. »Ich werde Jahrzehnte für eine Rundreise durch ein Tor brauchen.«
Nemoto lächelte verhalten. »Das spielt keine Rolle. Es wird Jahre dauern, bis die Yolgnu Neptun erreichen und noch länger, um ei-ne lebensfähige Kolonie zu etablieren. Und wir planen hier in gro-
ßen Zeiträumen. Eines Tages werden die Gaijin die direkte Konfrontation mit uns suchen. Ein paar von uns fragen sich, wieso das nicht längst schon passiert ist. Wir müssen darauf vorbereitet sein.«
»Und Triton ist Teil dieses Plans?«
Nemoto antwortete nicht.
Natürlich war es das, sagte Madeleine sich. Alles ist Teil von Nemotos großem Plan. Alles und jeder: Mein Bedürfnis nach Geld und Heilung, das Bedürfnis von Bens Leuten nach einer Zuflucht – alles nur Hebel, die Nemoto betätigt.
262
»Wohin?«, fragte Nemoto.
»Wohin was?«
»Wohin soll Ihre Erholungsreise gehen?«
»Das ist mir egal. Spielt keine Rolle.«
»Ich wüsste da etwas«, sagte Nemoto. »Es gibt noch eine andere außerirdische Spezies hier im Erde-Mond-System. Wussten Sie das?
Sie werden die Chaera genannt. Ihr Sternensystem ist exotisch. Es umfasst unter anderem ein kleines Schwarzes Loch, das … nun gut.« Sie beäugte Madeleine. »Ihr Freund Ben ist doch ein
Weitere Kostenlose Bücher