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Das Multiversum 3 Ursprung

Das Multiversum 3 Ursprung

Titel: Das Multiversum 3 Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Gedanken abschweiften, schien er von der Liege emporzuschweben, auch wenn er noch so fest ange-schnallt war. Dann hatte er wieder Angst zu fallen und schreckte aus dem Schlaf.
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    Und auf diesem Flug war es noch schlimmer. Er war sich in aller Schärfe bewusst, dass er sich diesmal weit von der Heimat entfernt hatte – vor allem weit von der unsichtbaren Decke des Erd-magnetfelds, das die Bewohner der Welt vor der tödlichen Strahlung schützte, die den interplanetaren Raum durchdrang. Wenn Malenfant die Augen schloss, sah er Blitze und Funken – Spuren, die fliegender kosmischer Schutt in der Flüssigkeit der Augäpfel hinterließ, der vielleicht vor hunderttausend Jahren von einer Supernova ausgestoßen worden war. Und dann rollte er sich zusammen und malte sich aus, wie dieser kalte Regen seinem empfindlichen Körper schadete.
    Nach ein paar Stunden verschrieb er sich selbst eine Schlaftablet-te.
    Auf der Liege neben ihm lag Nemoto und rührte sich nicht; auch dann nicht, wenn er sich bewegte. Er vermochte nicht zu sagen, ob sie schlief oder wach war.
    Als er aufwachte, hatte der reine Sauerstoff der Kabinen-Atmosphäre die Nase so gereizt, dass sie lief. Die Haut schuppte ab, und die Abschuppungen trieben in der schwachen Thermik um ihn herum.
    Wenn Malenfant bisher jemals im Weltraum navigiert hatte, dann hatte er die nicht unbeachtliche Aufgabe gemeistert, mit einem Shuttle-Orbiter in die korrekte Erdumlaufbahn zu gehen und zwei große Raumfahrzeuge, die Raumstation und den Orbiter in Milli-meterarbeit zusammenzukoppeln.
    Der Flug zum Roten Mond war ein Spiel in einer ganz anderen Liga.
    Die X-38 hatte einen Planeten verlassen, der sich mit etwa 1.600
    Kilometern pro Stunde bewegte. Das Raumschiff zielte auf eine Begegnung mit einem Mond, der sich mit etwa 3.700 Kilometern pro Stunde relativ zur Erde bewegte und dessen Orbitalebene von 199
    der des Raumschiffs abwich. Außerdem musste die X-38 eine ganz bestimmte Position anpeilen: Nicht die Position, wo der Mond sich zum Zeitpunkt des Starts befand, sondern wo er sich drei Tage später befinden würde. Um eine Breitband-Übertragung zur Erde zu gewährleisten, mussten sie Manöver vollführen, für deren Beschreibung Malenfant noch die passenden Metaphern suchte.
    »Es ist, als ob man von einem fahrenden Zug auf einen anderen springt – und exakt auf einem Platz der ersten Klasse landet. Nein, das trifft es nicht ganz. Stellen Sie sich vor, aus einer fahrenden Achterbahn zu springen und im freien Fall eine Kugel mit den Zähnen aufzufangen …«
    Und dabei durften die verschiedenen Berechnungen nur eine Fehlertoleranz von einem Viermillionstel haben. Sonst würde die X-38 entweder zu steil in die Mondatmosphäre eintauchen und verglühen oder aber am Mond vorbeifliegen und sich im interplanetaren Raum verlieren. Wenn sie bei der Navigation auch nur einen Fehler machten, wären sie beide tot. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
    Da war es auch kein Trost für Malenfant, wenn er bedachte, dass dieses Kunststück der translunaren Navigation schon von mehreren bemannten Missionen vollbracht worden war – alles in allem neun Mal, wenn man Apollo 13 mitberücksichtigte. Er saß hier nämlich in einem unerprobten Raumschiff, das zu einem fremden Mond unterwegs war. Zumal alle Beteiligten dieser alten Missionen entweder pensioniert oder schon tot waren.
    Also mühte er sich mit den astronomischen Sichtungen ab, den in-situ-Positionsaufzeichnungen, die die Verfolgung vom Boden unterstützten. Er hatte ein Navigations-Teleskop und einen Sextan-ten, und mit diesen Instrumenten sah er durch die schmutzigen Fenster der Landefähre und nahm Sichtungen der Erde, der Sonne und der hellen Sterne vor. Er überprüfte die Zahlen, bis er nur noch Nullen in der Abweichungsanalyse hatte.
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    Seltsamerweise war es diese Arbeit, bei der er sich darauf konzentrieren musste, was hinter den Wänden der behaglichen Kabine lag, die ihm das intensivste Gefühl der unendlichen Leere vermittelte, in die es ihn verschlagen hatte. So war zum Beispiel die Erde, die Bühne (fast) der ganzen Menschheitsgeschichte, nun auf eine blaue Murmel in dieser Schwärze reduziert. Manchmal vermochte er kaum zu glauben, dass das nicht auch nur eine Simulation war, dass die ihn umgebende Dunkelheit keine abgedunkelten, einen Meter weit entfernte Wände waren, die er mit ausgestrecktem Arm zu berühren vermochte.
    Manchmal überkam dieses Gefühl ihn dennoch, und das Tier in ihm wollte schier

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