Das Muster der Liebe (German Edition)
Sie hatte Angst und fühlte sich hilflos – und sie hoffte, sie lag mit ihrer Annahme richtig.
Keine Minute später stöhnte Laurel abermals auf und begann wieder zu hecheln. Und plötzlich war das Kind geboren. Es lag in Alix’ Armen. Ganz winzig und verschmiert.
Tränen schimmerten in Alix’ Augen. “Es ist ein Junge”, flüsterte sie und sah Laurel an. Das Baby schrie nicht sofort, und Alix bekam Angst. Instinktiv schob sie ganz vorsichtig einen Finger in seinen kleinen Mund und machte die Atemwege frei. Dann drehte sie den Kleinen auf den Bauch und klopfte sachte auf seinen Rücken. Und in diesem Augenblick stieß das Baby einen kräftigen, lauten Schrei aus. Ein tiefes Glücksgefühl durchflutete Alix, und sie sah ihre Freundin an. “Er ist perfekt”, sagte sie ehrfürchtig. Es war ein Wunder. Ein neues Leben hatte soeben begonnen.
Doch Laurel weigerte sich, ihren Sohn anzusehen, und wandte ihr Gesicht ab. “Durchtrenne die Nabelschnur”, sagte sie tonlos.
“Ich … ich denke nicht, ich sollte …”
“Tu es”, forderte Laurel. “Oder ich mache es selbst.”
“Okay, okay.” In der Küche fand Alix ein Messer. Aus Angst, ihre Freundin oder das Neugeborene zu infizieren, legte sie das Messer in einen Topf mit Wasser, um es abzukochen. In der Zwischenzeit lief sie ins Wohnzimmer zurück, um nach dem Rechten zu sehen. Auch die Nachgeburt war da, und es schien alles in Ordnung zu sein.
Sobald Alix die Nabelschnur durchtrennt hatte, ging sie mit dem Baby ins Badezimmer und wusch es. Dann wickelte sie es in ein Handtuch. Sie war sich sicher, dass Laurel sich, nachdem die Strapazen der Geburt vorüber waren, für das Kind entscheiden würde. Also trug sie das Neugeborene ins Wohnzimmer hinüber und hoffte, ihre Mitbewohnerin wenigstens dazu bewegen zu können, einen Blick auf ihren Sohn zu werfen.
“Sie ihn dir an”, flehte Alix. “Er ist perfekt, Laurel.”
Laurel schüttelte den Kopf. “Werde es los.”
Alix konnte nicht glauben, dass ein Mensch so kaltherzig sein konnte. “Das kann ich nicht.”
“Dann gib es mir, und ich tue es.”
“Wirst du … was wirst du tun?”, fragte Alix und drückte das Baby schützend an sich.
“Ich werfe es in einen Müllcontainer – und fertig.”
Laurel schien das Neugeborene nicht einmal als ein Lebewesen zu betrachten. Sie redete von ihrem Sohn nur als “es”.
“Das ist dein Ernst, habe ich recht?”, fragte Alix, und die Panik schnürte ihr beinahe die Kehle zu. “Du willst das Kind nicht.”
“Wie oft soll ich es denn noch sagen?”, schrie Laurel. “Werde endlich dieses Ding los!”
Mit dem Neugeborenen im Arm versuchte Alix, ihre Gedanken zu sortieren. Wenn Laurel dieses Kind nicht wollte, dann kannte sie jemanden, der sich mit Sicherheit um das Kind kümmern würde. “Unterschreib etwas.”
“Was?” Laurel starrte ihre Freundin fragend an.
“Ich brauche eine Bestätigung von dir, dass du dieses Kind aus freien Stücken weggeben willst.”
Laurel runzelte die Stirn. “Und wem gebe ich es?”
“Einem Paar, das es adoptieren würde.” Alix atmete tief ein. “Ich kenne jemanden, der sich sehnlichst ein Kind wünscht. Und ich möchte, dass sie und ihr Mann diesen kleinen Jungen großziehen. Du hast vielleicht keine Gefühle für ihn, aber ich weiß, dass Carol ihn lieben wird. Ich war dabei, als er auf die Welt kam, und ich fühle mich persönlich verantwortlich für ihn. Und du willst doch, dass er wegkommt.”
“Mach, was du denkst. Es ist mir egal.”
“Du wirst deine Meinung nicht ändern?”
“Nein.” Dann, wie um ihre Worte zu unterstreichen, griff Laurel nach dem Messer und hielt es in die Luft, als wolle sie den Kleinen auf der Stelle töten. “Ich will, dass es tot ist oder einfach aus meinem Leben verschwindet, verstanden? Was muss ich noch sagen oder tun, damit du mir glaubst? Werde es los! Mir ist egal, was du damit machst, solange du es wegbringst.”
Mit dem schreienden Baby im Arm holte Alix einen Stift und ein Blatt Papier und reichte beides ihrer Freundin. “Schreib es auf.”
Laurel setzte sich hin und schrieb schnell ein paar Zeilen nieder, die sie unterzeichnete. Alix las das Papier und ging dann ins Schlafzimmer. Sie legte das Kind auf ihr Bett und zog sich, so schnell es ihre zitternden Hände erlaubten, etwas an. Das Baby beobachtete sie, und Alix beugte sich zu ihm hinab und küsste ganz vorsichtig seine Stirn.
“Ich wünschte, du wärest auf dieser Welt herzlicher willkommen geheißen
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