Das Muster der Liebe (German Edition)
Die Hände in die Hüften gestemmt, stand sie vor ihr und sagte: “Bei dir stimmt doch etwas nicht. Also, was ist los?”
Laurel warf den Kopf in den Nacken und antwortete nicht. Sie hatte die Augen geschlossen und biss sich so stark auf die Unterlippe, dass Blut zum Vorschein kam. Alix starrte sie erschrocken an.
“Laurel”, flüsterte sie.
Ihre Mitbewohnerin streckte den Arm aus. Als Alix ihre Hand ergriff, hielt Laurel sie so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. “Hilf mir”, weinte sie. “Ich kann das nicht … ich dachte … oh Gott, es tut so weh.”
Alix sank neben dem Sofa auf die Knie. Plötzlich ergab alles einen Sinn. Was so offensichtlich hätte sein müssen, wurde ihr erst jetzt klar. “Laurel, hast du Wehen?”
Sie nickte. “Ich konnte es dir nicht sagen … ich konnte es niemandem sagen.”
“Weiß John Bescheid?”
Tränen schimmerten in Laurels Augen. “Warum, glaubst du, hat er mich verlassen? Er hat gesagt, er will kein Baby. Und mich auch nicht. Er versprach mir, für die Abtreibung zu zahlen, aber er hat sich nie wieder blicken lassen – und ich konnte mir die Abtreibung doch nicht leisten.”
“Warum hast du nichts gesagt?”
“Wie hätte ich das machen sollen?”
“Aber wir sind doch Freundinnen.” Irgendwie. Immerhin war es Laurel egal gewesen, als Alix wegen ihrer Drogen verurteilt wurde. Und sie hatte nicht einmal erzählt, dass sie schwanger war. Trotzdem …
Laurel schloss die Augen und bäumte sich stöhnend auf.
Alix würde später über ihre Beziehung zueinander nachdenken. Jetzt musste sie Laurel erst einmal in ein Krankenhaus bringen. “Ich gehe runter, um zu telefonieren, damit Hilfe kommt.”
“Nein!”, schrie Laurel. Sie drückte Alix’ Hand. “Lass mich nicht allein. Es dauert nicht mehr lange … es kann nicht mehr lange dauern. Ich kann den Schmerz allein nicht aushalten. Ich
kann
das nicht allein durchstehen.”
“Was soll ich tun?” Alix hatte noch nie eine Frau erlebt, die in den Wehen lag, und wusste nicht, wie sie helfen konnte.
“Ich weiß nicht”, keuchte Laurel, die sich vor Schmerz krümmte und verzweifelt nach Luft rang. “Ich denke, das Kind kommt gleich”, rief sie, und ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Panik. “Was soll ich nur machen? Oh Gott, was soll ich nur machen?”
“Bleib ganz ruhig”, sagte Alix und zwang sich, zuversichtlich zu klingen, obwohl ihr Herz raste. Sie schob das Laken zurück und sah, dass Laurel einen Stapel Handtücher unter ihre Hüften geschoben hatte. “Ich gehe mir eben die Hände waschen.”
“Nein … verlass mich nicht.”
“Ich bin sofort wieder da.”
“Okay, okay.” Laurel drehte den Kopf zur Seite. Ihr Gesicht glänzte schweißnass.
Alix ärgerte sich über sich selbst, weil sie die Wahrheit nicht früher erkannt hatte. Doch Laurel war so übergewichtig, dass die Schwangerschaft nicht von Beginn an eindeutig zu sehen war. Und sie trug auch weiterhin jeden Tag ihre Jeans, die beinahe aus den Nähten geplatzt war. Alix hatte wirklich die ganze Zeit gedacht, dass Laurel wegen ihrer Depression und ihren Fressattacken zugenommen hatte.
Alix war nur einen Moment lang fort, doch als sie zurückkam, ergriff Laurel ihre Hand und drückte sie. Ihr Gesicht zeigte deutlich, welche Qualen sie durchlitt.
“Sieh nach”, flehte Laurel. “Kommt es schon raus?”
Alix fühlte sich vollkommen überfordert. Sie sollte helfen, ein Kind auf die Welt zu bringen? “Hast du schon irgendwas für das Baby?”
Laurel schüttelte den Kopf. “Ich will es nicht.”
“Laurel”, erwiderte sie behutsam. “Was wolltest du denn mit dem Baby machen?” Unfassbar! Laurel musste doch wissen, dass Kinder Kleidung und ein Bettchen und Fläschchen brauchten.
Ihre Freundin schluchzte verzweifelt. “Zuerst wollte ich es umbringen.”
Alix rang nach Luft. “Das kannst du doch nicht machen.”
“Ich will dieses Kind nicht.” Laurel schrie und wölbte den Rücken, als der Schmerz sie abermals überwältigte. Ihre Finger umklammerten den Sofabezug, als sie ihre Augen schloss und aufkeuchte. Sie versuchte tief einzuatmen, und ihre Schultern hoben und senkten sich zitternd.
Alix setzte sich ans Ende des Sofas. Der Kopf des Babys war bereits zu erkennen – es hatte blondes Haar. Bei der nächsten Wehe legte Alix vorsichtig ihre Hand unter den Kopf des Kindes. Laurel atmete tief ein und versuchte das Baby zu sehen, aber sie schaffte es nicht.
“Es dauert nicht mehr lange”, versprach Alix.
Weitere Kostenlose Bücher