Das Muster der Liebe (German Edition)
hatte leben können. Die ganze Zeit hatte nichts zwischen ihnen gestanden als falsch verstandener Stolz.
“Ich weiß nicht, was heute Nacht über dich gekommen ist, doch ich danke Gott dafür”, sagte er.
“Du kannst Tammie Lees Tante Frieda danken.”
“Wem?”
“Ist nicht so wichtig”, erwiderte sie, legte ihren Kopf an seine Schulter und lächelte. Jeder Tag machte ihr deutlicher, dass sie dankbar sein musste, eine solche Schwiegertochter bekommen zu haben. Sie musste Reese recht geben. Endlich hatte sie die Tochter, die sie sich immer gewünscht hatte. Und auch wenn Tammie Lee mit diesem schrecklichen Südstaatenakzent sprach, war sie für Jacqueline wie eine eigene Tochter – kostbar und liebenswert.
46. KAPITEL
A lix Townsend
Alix fuhr aus dem Schlaf hoch. Was waren das für Geräusche? Es klang wie ein unterdrücktes Stöhnen. Sie stützte den Kopf auf, starrte angestrengt in die Dunkelheit und horchte. Seltsamerweise schienen die gedämpften Schmerzensschreie aus dem Wohnzimmer zu kommen. Als ihre Augen sich endlich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, fiel ihr noch etwas auf. Laurels Bett, das in der anderen Ecke des Zimmers stand, war leer.
Ihre Mitbewohnerin verhielt sich in letzter Zeit wirklich komisch. Nachdem sie vor Kurzem recht freundlich gewesen war, hatte sie sich jetzt wieder zurückgezogen. Sie sprachen kaum noch miteinander, was allerdings zum größten Teil an Laurel lag. Alix versuchte ihr Bestes, einen halbwegs normalen Umgang miteinander aufrechtzuerhalten. Doch wenn Laurel mit ihr sprach, waren ihre Worte meist schnippisch und bitter.
Zwar wusste Alix noch immer nicht, was mit ihrem Apartmentgebäude geschehen würde; aber sie vermutete, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie ihre Wohnung verlassen mussten. Doch sie hatte einen Plan. Wenn sich die Möglichkeit ergab, würde sie ihrer sogenannten Freundin den Laufpass geben und sich eine neue Mitbewohnerin suchen. Die Drogen, die im letzten Frühling bei ihr gefunden worden waren, hatten Laurel gehört, nicht ihr. Trotzdem bezahlte Alix den Preis dafür. Aber genug war genug.
Zuerst hatte Laurel die Sache noch leidgetan, und sie bemühte sich, es wiedergutzumachen. Doch das war mittlerweile anders. Die meiste Zeit ignorierte sie Alix, und selbst wenn sie zusammen in der Wohnung waren, saß Laurel nur vor dem Fernseher und stopfte Essen in sich hinein. Sie arbeitete nicht einmal mehr als Putzkraft.
Alix legte sich wieder hin, zog die Decke bis zu den Ohren und versuchte einzuschlafen. Wenn Laurel krank war, dann kam das durch die Unmengen an Eiscreme, die sie verschlang. Sie hatte in den letzten sechs Monaten bestimmt fünfzig Pfund zugelegt. Keine ihrer Jeans passte ihr mehr, und sie sah unglaublich unförmig und fett aus. Und dass sie offenbar Jordan anmachte, war für die angespannte Beziehung zwischen ihr und Alix nicht besonders hilfreich. Alix vertraute Jordan, doch ob sie auch Laurel trauen konnte, stand auf einem anderen Blatt. Offensichtlich hatte sich Laurel auf der Suche nach Mitgefühl an Jordan gewandt. Wer weiß, was sie bei ihm noch suchte …
Sie wusste immer noch nicht, was zwischen Laurel und ihm geschehen war. Weder erklärte Jordan von sich aus, was Laurel von ihm wollte, noch fragte Alix ihn danach. Als sie ihre Mitbewohnerin darauf ansprach, knurrte die nur, Alix solle sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.
Sie war schon fast wieder eingeschlafen, als ein unterdrückter Schrei sie aufschrecken ließ. Es klang, als litt Laurel Höllenqualen. Missmutig und entgegen ihrer ursprünglichen Entscheidung schlug Alix die Decke zur Seite und kletterte aus ihrem Bett.
Das Wohnzimmer war dunkel, und es dauerte einen Augenblick, bis sie Laurel entdeckt hatte. Ihre Mitbewohnerin lag auf dem Sofa und lehnte mit dem Kopf auf der Seitenlehne. Ihre Knie waren angewinkelt, und sie hatte ein Bettlaken über ihre Beine gelegt.
“Was ist los?”, fragte Alix schroff. Sie wollte klarstellen, dass es ihr ganz und gar nicht gefiel, dass Laurel ihr den Schlaf raubte.
“Nichts. Geh wieder ins Bett.”
Alix zögerte, entschied sich dann aber, Laurels Aufforderung Folge zu leisten. Sie brauchte offenbar keine Hilfe. Gut – es war schließlich ihre Entscheidung.
“Wie du willst”, murmelte Alix und wandte sich zum Gehen. Doch plötzlich hielt sie inne. Ganz leise hörte sie Laurel wimmern: “Oh Gott, oh Gott, oh Gott.”
Kurz entschlossen kehrte Alix um, ging ins Wohnzimmer und schaltete das Licht an.
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