Das Muster der Liebe (German Edition)
Gefahr.
“Vielleicht solltest du es doch noch einmal probieren und dem Kurs eine Chance geben”, schlug er vor, ohne auf ihren Ausbruch einzugehen.
Die Wahrheit war, dass sie weitermachen
wollte
. Sie empfand den Kurs nicht als “unmöglich” oder furchtbar. Das war übertrieben. Mit Ausnahme der Auseinandersetzung mit Alix hatte sie den Unterricht durchaus genossen. Irgendwann hatte Lydia ihre Schülerinnen gebeten, durch den Laden zu gehen und sich drei Knäuel Wolle in ihren Lieblingsfarben auszusuchen. Im ersten Moment erschien dies Jacqueline unnötig, geradezu sinnlos. Dennoch entschied sie sich für ein silbern schimmerndes Garn, ein Knäuel Wolle in tiefem Violett und eines in lebhaftem Rot. Als Nächstes forderte Lydia sie auf, sich drei Knäuel in den Farben zu nehmen, die sie am wenigsten mochten. Jacqueline war geradewegs auf einen Strang hellgelber Wolle zugegangen. Anschließend erklärte Lydia ihnen, wie die Farben sich kontrastierten und was es mit Komplementärfarben auf sich hatte. Gegen das tiefe Violett gehalten, wirkte das Gelb mit einem Mal völlig anders. Und wie Lydia gesagt hatte, war dieser Kontrast besonders reizvoll.
Jacqueline entdeckte, dass zum Stricken vor allem gehörte, Strukturen und Farben zu wählen. Das hatte sie zuvor überhaupt nicht bedacht. Nach dem Ende der Stunde ging sie in dem Bewusstsein aus dem Wollladen, viel mehr als nur die grundlegenden Stricktechniken erlernt zu haben. Doch auch das konnte ihr Unbehagen gegenüber Alix nicht gänzlich ausräumen.
“Ich könnte einen anderen Anfängerkurs besuchen, der später im Sommer beginnt”, sagte Jacqueline, die sich immer noch nicht sicher war, was sie tun sollte. Schließlich hatte sie für den gesamten sechswöchigen Kurs bezahlt … und sie hasste den Gedanken, dass irgendeine dahergelaufene Göre sie mit ihrem unmöglichen Benehmen einschüchterte und vertrieb.
Die Türklingel schrillte. Jacqueline merkte, wie sich eine unangenehme Anspannung in ihr breitmachte. Während Reese ging, um die Tür zu öffnen, zauberte sie ein Lächeln auf ihre Lippen, faltete die Hände und ging ins Wohnzimmer. Sie wartete, bis ihr Mann Paul und Tammie Lee im Flur begrüßt hatte.
“Wie wundervoll, euch beide zu sehen”, flötete Jacqueline und breitete die Arme aus, als Tammie Lee und ihr Sohn das Zimmer betraten. Sie umarmte ihre Schwiegertochter kurz und hauchte Paul einen Kuss auf die Wange. Jetzt, da sie wusste, dass Tammie Lee schwanger war, fragte sie sich, warum ihr die Veränderung nicht schon viel früher aufgefallen war. Ihre Schwiegertochter zeigte ihre Schwangerschaft deutlich – sie trug sogar ein Umstandstop.
Paul und Tammie Lee nahmen auf dem Sofa Platz. Sie saßen so nah beieinander, dass sich ihre Schultern berührten, und hielten Händchen. Es schien, als ob sie zeigen wollten, dass nichts und niemand sie auseinanderbringen konnte.
Während Reese seinem Sohn ein Glas Wein einschenkte, brachte Jacqueline die Platte mit den Horsd’œuvres herein. Tammie Lee lächelte ihre Schwiegermutter an.
“Ich liebe Shrimps! Und seit ich schwanger bin, verspüre ich ein ständiges Verlangen danach”, sagte sie mit ihrer leicht nasalen Stimme. “Frag ruhig Paul. Ich glaube, er hat Shrimps schon total satt, doch trotzdem beklagt er sich nie.” Sie warf ihrem Mann einen verliebten Blick zu, als sie nach einer kleinen Serviette und zwei Crackern griff.
Paul schenkte seiner Frau einen Blick, der voller Liebe und Stolz war. Und Jacqueline musste sich zusammenreißen, um Haltung zu bewahren. Sie würde niemals verstehen, was ihr Sohn in diesem Mädchen sah.
“Was kann ich dir zu trinken bringen?”, fragte Reese Tammie Lee, als er Paul das Weinglas reichte.
“Wie lieb, dass du fragst. Aber im Moment habe ich alles, was ich brauche. Danke.”
Wenn es irgendetwas Positives an der ganzen Sache gab, war es, dass Tammie Lee in der Schwangerschaft offenbar auf sich achtgab. Wenigstens schien sie ein Fünkchen gesunden Menschenverstand zu besitzen.
Reese und Jacqueline setzten sich den beiden gegenüber. Ein polierter Mahagonitisch stand zwischen ihnen. Sie nutzten das Wohnzimmer nur selten. Selbst jetzt, fünf Jahre nachdem sie die Sitzgarnitur gekauft hatten, rochen die Sessel immer noch nach neuem Leder.
“Ich denke, wir sollten es ihnen sagen”, flüsterte Tammie Lee Paul ins Ohr.
Paul nickte und drückte ihre Hand. “Tammie Lee hatte heute Nachmittag einen Ultraschalltermin. Es sieht so aus, als würden wir ein
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